Die Welt neu entdecken mit einer blinden Journalistin

Wieder einmal schenkt ARTE dem Fernsehzuschauer ein sehr spezielles Seherlebnis, das mich bereits nach der ersten Folge, die ich mir angesehen habe, begeistert.

Darf ich vorstellen: Sophie Massieu, 36 Jahre alt, aus Frankreich, blind seit ihrer Geburt, Journalistin. In 40 30-minütigen Sendungen zeigt sie uns Sehenden die Welt, wie sie sie erlebt. Bis zum 27. April kann man Sophie auf ihren Reisen rund um den Globus begleiten. Diese Woche wurden Beiträge von den Kanarischen Inseln, aus New York und Irland ausgestrahlt. Heute Abend ist die blinde Weltenbummlerin in Ungarn unterwegs, immer an ihrer Seite, der treue Blindenhund Pongo, ein Dalmatiner.

Ich habe Sophie Massieu nach British Columbia begleitet, unter anderem war sie beim „Whale Watching“! Sie hat die Wale mit dem Sonargerät belauscht und wenn die Killerwale kurz aus dem Wasser auftauchten und mit ihren Schwanzflossen auf das Wasser platschten, gehört. In einer Lachszucht hat sie mitgeholfen, die Fische zu füttern und gespürt, wie die kleinen Fische an ihren Fingern knabberten, als sie mit der Hand übers Wasser strich. Im Kanu ist sie mitgepaddelt und liess sich den letzten Urwald in British Columbia zeigen, legte ihre Arme um einen 400-jährigen Baum und liess sich erklären, wie hoch der alte Riese ist oder sie befühlte das Blatt eines Riesenahorn.

Es ist wunderbar mit dieser Frau, vom Sofa aus, durch die Welt zu reisen und die Dinge durch sie ganz anders und neu zu erleben und Entdecker zu werden. Manchmal gerät man gar ins Schmunzeln, wenn ihre sehenden Begleiter in eine Richtung zeigen und ganz selbstverständlich „look“ rufen oder ihr von weitem schon zuwinken, wenn Sophie mit Pongo im Anmarsch ist. Es ist nicht so, als müsste man die Journalistin anders behandeln als einen sehenden Gesprächspartner. Hin und wieder muss man sie am Arm führen, wenn sie ihren Hund irgendwo zurücklassen muss. Leicht könnte einer vergessen, dass Sophie blind ist, im wahrsten Sinne des Wortes ist sie mit Leib und Seele bei der Sache. Diese wissenshungrige Frau begeistert und hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Ganz grosse Klasse!

Auf ARTE, Montag – Freitag, 17.30 Uhr „Was du nicht siehst“

4 Gedanken zu „Die Welt neu entdecken mit einer blinden Journalistin

  1. Ganz besonderen und lieben DANK für Deinen Artikel. Ganz sicher werde ich mich auf die Reise mit Sophie Massieu begeben. Schön, dass Du auf diese Dokumentarserie hingewiesen hast!
    Ich habe beruflich immer wieder mit gehörlosen und blinden Menschen zu tun, und ganz häufig sind mir dabei ganz außergewöhnliche Menschen begegnet, die, um ein selbständiges Leben bemüht, eine unglaubliche Stärke entwickeln konnten.
    Schön ist auch der Titel der Sendung! Er erinnert mich an „Ich sehe was, was Du nicht siehst!“.
    mb

    • Mit dem letzten Satz hast du absolut recht. Mein Partner und ich haben uns schon während der Sendung gefragt, was schlimmer ist: nichts zu hören oder nichts zu sehen. Darauf wusste ich keine Antwort, denn für mich ist beides tragisch. Aber am tragischsten ist es, wenn man beide Behinderungen zusammen hat, wie ich vor einiger Zeit von einer Frau in einem Dokumentarfilm erfuhr. Sophie Massieu ist eine sehr aussergewöhnliche Frau und ihre Familie erst recht, wenn man weiss, wie sehr sie in ihrer Familie unterstützt wurde, speziell von ihrer Mutter.

      Welche Erfahrungen hast du gemacht mit gehörlosen und blinden Menschen?

      • Ganz neu und überraschend war für mich, wie eingekapselt Gehörlose (auch im Vergleich zu Blinden) leben. Gehörlose schreiben häufig gänzlich unverständliche Mitteilungen. Man sollte meinen, dass gerade sie, weil sie mitunter darauf angewiesen sind, sich schriftlich zu äußern, das Medium Sprache beherrschen. Aber die Gebärdensprache folgt vermutlich einer völlig anderen Sprachregelung. Ich empfinde daher gehörlose Menschen als sehr ausgegrenzt und nicht selten sehr allein (gelassen). Häufig haben sie aufgrund dieser Einschränkungen keinen Schulabschluss.
        Bei Menschen mit einer Sehbehinderung oder einer Blindheit ist das ganz anders, wie Ihr es ja auch in der Dokumentation gesehen habt.
        Ich glaube, dass sich ganz viele Menschen, wenn man sich der Thematik mal stellt, wie Ihr das getan habt, fragen, was wäre schlimmer, blind oder gehörlos?
        Für mich auf jeden Fall, nichts hören zu können.
        mb

      • Ich danke dir ganz herzlich für deinen interessanten Bericht. Das kann ich mir schon vorstellen, dass es für Gehörlose schwierig im Alltag ist. Da hängt viel mit der Gebärdensprache zusammen und unsereins kann sie nicht. Da kann ich mir schon vorstellen, dass sich manch „Normaler“ vielleicht abwendet, weil es so anstrengend ist, zu kommunizieren. Ich finde es aber äusserst gut, dass inzwischen einige Fernsehsender die Nachrichten in Gebärdensprache senden. Das nenne ich Integration.

        LG buechermaniac

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