Lukas Hartmann – Lesung

Wieder einmal fand in unserer Gemeinde eine Lesung statt. Angereist aus dem Kanton Bern ist der Schriftsteller Lukas Hartmann. Die Bibliothekarin stellte ihn kurz vor und erwähnte, dass sie auf der Homepage des Autors herausgefunden habe, dass er immer abwechslungsweise ein Roman für Erwachsene und dann wieder ein Kinderbuch schreibe. Sie zählte auch einige Aufzeichnungen auf u.a. den Sir-Walter-Scott-Preis für „Bis ans Ende der Meere“, danach übergab sie das Wort Herrn Hartmann. Die Autoren kommen mir an diesem kleinen Tisch auf der grossen Bühne immer etwas verloren vor. Die Leere füllen aber die meisten von ihnen bald mit ihren Worten aus. Lukas Hartmann entschuldigte sich zuerst beinahe, denn er war etwas heiser. Vor zwei Wochen war er auf der Insel Sansibar, wie er erzählte, nicht etwa aus touristischen Gründen, sondern zu Recherchen für sein nächstes Buch. Auch Luzern und Hamburg spiele im nächsten Roman eine Rolle. Ich finde, Sansibar tönt schon jetzt sehr interessant. Letzte Woche las er vor 60, 70 Kindern und da werde die Stimme auch mehr beansprucht. Gestern sei er mit einem Freund wandern gegangen und sie seien in den Regen geraten und völlig durchnässt nach Hause gekommen. Aber er sei ja nicht hier, um zu erzählen, wie es zu seiner kratzigen Stimme gekommen sei, obwohl das auch schon eine Geschichte abgäbe.

Natürlich nicht, Lukas Hartmann wollte aus seinem neuen Roman „Räuberleben“ einige Seiten vorlesen und Fragen beantworten. Zuerst gab er einige Erklärungen in Berndeutsch ab. Räuber hätten ja immer auch Kinder fasziniert und gleichzeitig auch erschreckt, vielen ist „Ronja Räubertochter“ oder „Hotzenplotz“ ein Begriff. Auch Robin Hood habe ihn immer interessiert und als Junge wollte er natürlich diese Rolle übernehmen. Auch in der heutigen Zeit seien die Piraten vor Somalia auch nichts anderes als Räuber. Und dann gäbe es noch die Räuber von oben herab, die quasi legal das Volk ausrauben, wie Mugabe in Simbabwe oder diverse Machthaber, in den aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten.

Hannikel lebte im 18. Jahrhundert und kam aus dem Schwarzwald. Während 15 Jahren war er mit seinen Leuten, die Fahrende waren, unterwegs, auch in der Schweiz. Die Gruppe die sicher aus 30, 40 Leuten bestand, hatte nie genügend Geld, die die Arbeit mit Scherenschleifen und Pfannenflicken abwarf, so raubten sie am liebsten jüdische Händler aus, weil da viel Geld zu finden war, evangelische Pfarrhäuser, hingegen katholische liessen sie in Ruhe, denn seine Leute wallfahrten selber immer nach Einsiedeln um ihre Sünden zu beichten. Ausgerechnet ein Mord an einem Bandenmitglied, der abtrünnig geworden war, wurde Hannikel zum Verhängnis. Er wurde vom Oberamtsmann Schäffer bis in die Schweiz gejagt und brachte ihn schliesslich an den Galgen.

So las der Autor aus dem Buch, gestikulierte auch mal mit den Händen, hob die Stimme bei entsprechenden Passagen an und erzählte, beim Blättern bis zur nächsten Stelle im Buch, auf Berndeutsch wieder etwas über die Leute von Hannikel, dem Sohn Dieterle, vom Herzog Karl Eugen, dem Oberamtsmann Schäffer oder dem Schreiber Grau. Es war mucksmäuschenstill im Saal. Auch ich lauschte gebannt seinen Worten. Ich fühlte mich beim Zuhören beinahe in die Kindheit zurückversetzt. Ich kann mir den Autor sehr gut vorstellen, wie er aus seinen Kinderbüchern in einer Kindergruppe vorliest. Bei seinen eigenen Kindern seien seine Geschichten auch immer gut angekommen. Räubergeschichten sind tatsächlich spannend, auch für Erwachsene.

Nach der Lesung stellte sich Lukas Hartmann noch den Fragen des Publikums. Einer wollte wissen, weshalb er ausgerechnet auf Hannikel gekommen sei, er sei nur fünf Kilometer von Sulz am Neckar aufgewachsen und hätte noch nie etwas von diesem Räuberhauptmann gehört. Der Autor war sehr erstaunt, denn als er in Sulz auf Recherche war, hätten etliche Bewohner auch auf der Strasse Hannikel gekannt. Auch in der Fasnacht sei diese Figur präsent. Durch ein Quellenverzeichnis sei er auf Hannikel gestossen und ihn habe die gute, wie auch die kriminelle Seite an dieser Person interessiert. Ich wollte wissen, ob er auch eine Räubergeschichte für Kinder schreiben würde. Und er meinte, er könnte sich das schon vorstellen. Nur bei Hannikel ginge es ja um eine historische Persönlichkeit und in Kinderbüchern sind es meist fiktive Gestalten.

Das Publikum hatte nicht allzu viele Fragen, darüber war Lukas Hartmann sicher nicht betrübt, denn er wollte seiner Stimme nicht noch mehr zumuten.

Eifrig wurden dann noch Bücher gekauft und vom Autor gerne signiert. Ich hatte meine Bibliothek geplündert und ich hielt ihm gleich drei Romane und das Kinderbuch „All die verschwundenen Dinge“ mit den bezaubernden Illustrationen von Tatjana Hauptmann, zum Signieren hin, worauf er meinte: „Ah, da haben wir wohl eine Stammleserin.“ Dann griff er sich an die Stirn und meinte, dass er wohl Fieber habe. Wir waren just im Lift, als die Bibliothekarin mit dem Autor ebenfalls ins Parkgeschoss runter fuhr. Wir wünschten eine gute Heimreise, doch da war nichts mehr zu hören, die Stimme war weg.

Wir können uns glücklich schätzen, dass es überhaupt zu dieser interessanten Lesung gekommen ist. Ich hätte Herrn Hartmann noch lange zuhören können.

Räuberleben“ und das letzte Kinderbuch „All die verschwundenen Dinge“ sind im Diogenes Verlag erschienen. Die Homepage des Autors ist ein Besuch wert, zu einigen Romanen gibt es ausführliches Material nachzulesen.

13 Gedanken zu „Lukas Hartmann – Lesung

  1. Pingback: Urteilen, gewollt oder ungewollt und blaue Beeren – Zeichnung von Susanne Haun « Susanne Haun -> Drawing -> Zeichnung -> Dibujo -> 水彩画

  2. Ich kenne bisher noch nichts von Lukas Hartmann, doch deine Eindrücke von der Lesung und auch deine Kommentare, Susanne, machen mir Lust darauf, diesen (für mich noch) unbekannten Schriftsteller zu entdecken! 🙂

    • Liebe Mara

      Dann wird es höchste Zeit, dass du einen weiteren Schweizer Autor für dich entdeckst, denn jedes seiner Bücher ist anders, aber die meisten Romane haben einen historischen Hintergrund. Es gibt wirklich diverse Bücher, die ich dir ans Herz legen möchte. Für den Lesezirkel haben wir „Finsteres Glück“ gelesen, in dem es sich um eine Psychologin handelt, die sich eines traumatisierten Buben annimmt, der seine ganze Familie bei einem Autounfall verloren hat.“Die Deutsche im Dorf“ hat mich sehr beeindruckt, die Geschichte handelt von einer deutschen Zuzügerin in einem Schweizer Dorf, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Du kannst dir sicher vorstellen, dass dieser Roman unter die Haut geht. Nach der Lesung hat mir ein Bekannter, der sehr belesen ist, „Die Tochter des Jägers“ (hier eine Zusammenfassung http://www.histo-couch.de/lukas-hartmann-die-tochter-des-jaegers.html) empfohlen, und er klingt auch sehr spannend, aber auch „Der Konvoi“ ist eine Empfehlung. Dieser Roman spielt Ende des 1. Weltkrieges (http://www.faes.li/lesen/inhaltsangaben/hartmann_konvoi.html) und ist absolut lesenswert.

      Du siehst also, es gibt noch viele grossartige Romane zu lesen. Ich hoffe, du wirst dich für den ein oder anderen Roman entscheiden.

      Ein schönes Wochenende
      buechermaniac

      • Danke für die vielen schönen Empfehlungen, die alle sehr reizvoll klingen. 🙂 Notiert habe ich mir „Die Deutsche im Dorf” und „Der Konvoi“ und werde mir die Bücher so bald wie möglich besorgen. Bin schon sehr gespannt darauf, diesen interessanten Schriftsteller zu entdecken! 🙂

  3. Ich lese gerade „Bis and Ende der Meere“ von Lukas Hartmann und habe im Zuge dessen auch schon auf seiner Homepage gestöbert. Das Buch gefällt mir ausgesprochen gut und ich finde es interessant die Lücken meines Wissens zum Thema Kaptain Cook und den Maler John Webber zu füllen.
    Das Buch ist zufällig zu mir gekommen, ich habe es in einem 2nd Hand Bekleidungsladen geschenkt bekommen.Es ist ein unverkäufliches, unkorrigiertes und auch ungelesenes Arbeitsexemplar aus dem Diogenes Verlag.
    Ich möchte wissen, wer es „in den Container“ geschmissen hat – es ist ja mein Glück so kann ich es lesen.
    .

    • Das war wirklich dein Glück. Irgendeiner, der das Buch rezensieren sollte, hat es wohl weggeschmissen, aber ausgerechnet in einem Kleiderladen?
      Kennst du die Bilder von Johann Weber bzw. John Webber, wie er sich in England nannte? Es gab eine Ausstellung in Bern wie ich mich erinnere. Leider habe ich sie nicht gesehen, man kann nicht überall dabei sein. Ich wünsche dir noch weiterhin viel Freude bei der Lektüre. Würde mich dann interessieren, wie dir das Buch gefallen hat.

      Ein schönes Wochenende 🙂

      • Ich kenne leider auch nur die Bilder von John Webber, die im Netz zu finden sind. Ich bin auf Seite 89 und es macht mir Spaß, das Buch zu lesen. Ich google immer die genannten Namen, finde die genannten Bilder oder Persönlichkeiten dazu.
        Es ist unterhaltsam und informativ gescschrieben.
        Wenn ich es aus gelesen habe, berichte ich mehr!

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