Es war einmal ein Kurbad…

Buch, alte Hotelprospekte und Ansichtskarte eines Kurgastes von anno 1899

… bereits im Jahre 1600 fand Antoni Bacher mit seinem Sohn weit hinten in einer Schlucht eine Quelle, die eine heilsame Wirkung zu haben schien. Er badete im Wasser, das angenehm warm war – Thermalwasser. Bereits zwei Jahre später konnte die Quelle gefasst werden und 1604 bestiegen die ersten Personen hölzerne Badetröge. Der Weg war damals beschwerlich und gar mancher stürzte zu Tode in der engen Schlucht.

Ein erstes einfaches Holzhaus wurde errichtet. Die ersten Städter aus dem fernen Bern nahmen die beschwerliche Reise in der Postkutsche auf sich. Der Ort konnte nur zu Fuss erreicht werden, später zu Pferd oder in der Sänfte. Bereits anfangs des 18. Jahrhunderts hatte das Bad einen guten Ruf. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde festgestellt, dass sich das Wasser vor allem zum Trinken und weniger zum Baden eignete. 1825, inzwischen gehörte das Bad einem Arzt, das Haus war ein einfacher Holzbau, konnte es doch 80 bis 100 Badegäste aufnehmen. 1849 wurde das neue Bad erstellt und 300 Gäste fanden eine Herberge. Ausserdem wurde 1867 eine Fahrstrasse ins Dorf gebaut, so dass auch Kurgäste aus dem Ausland anreisten. Das Bad wurde immer mal wieder an- und umgebaut, Teile wurden abgerissen und einmal brannte gar das ganze Hotel ab. Innert einem Jahr wurde es wieder in neuem Glanz errichtet. Französische Herrschaft, Erster und Zweiter Weltkrieg machten dem Bad zu schaffen. Die Fensterläden blieben nicht nur im Winter geschlossen.

Vorfahrt beim Vorderen Bad, Spazierweg, das vordere Bad, das hintere Bad ( von links oben im Uhrzeigersinn )

Anfangs des 20. Jahrhunderts, die grosse Blütezeit war vorbei, zogen Lungenkranke in Sanatorien, die in höheren Orten lagen. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das Hotel ab 1926 nochmals eine Blütezeit und geriet noch einmal in die Schlagzeilen. Journalisten reisten aus dem Ausland an, als 1936 die niederländische Königin Wilhelmine mit ihrer Tochter Juliana eintraf, um hier Heilung für ihr Leiden zu finden.

Königin Wilhelmine (Mitte) mit Tochter Juliana (links)

Das Bad schloss einmal mehr seine Türen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Nur Truppen wurden hier einquartiert und später auch Internierte. Heermaterial wurde im vorderen Bad eingelagert, wodurch das Hotel in arge Mitleidenschaft gezogen wurde. Das hintere alte Bad wurde bereits nach dem Ersten Weltkrieg abgebrochen. Zwar wurde das Bad nach dem Krieg wieder geöffnet, aber es wollte nicht mehr rentieren. Ab 1963 ging es nur noch abwärts, auch eine geplante Sanierung von alten „Grand Hotels“ scheiterte. Als das Kurhotel für immer seine Tore schloss, wurde das Mobiliar versteigert und bald machten sich Vandalen und Diebe an dem einst mondänen und prächtigen Haus zu schaffen. 1974 fiel das Gebäude einem Brand zum Opfer – ob es Brandstiftung war, konnte nie nachgewiesen werden.

Im Anschluss an den Kuraufenthalt der Königin wurde noch regelmässig Medizinalwasser an den holländischen Hof geliefert, bis die deutschen Truppen in Holland einmarschierten.

Das war quasi der Anfang der Mineralwasser-Abfüllung. Noch waren viele Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen bis eine Abfüllanlage im Dorf gebaut werden konnte. Unsere Familie war eine von vielen in der Schweiz, bei der Limonaden und Mineralwasser aus diesem Betrieb auf dem Tisch stand. Dann kam der Tag, wo die Fabrik an eine grosse Bierbrauerei verkauft wurde und plötzlich war das Wasser anscheinend nicht mehr gut genug und die Fabrik wurde geschlossen, die Arbeiter verloren ihre Arbeitsplätze.

Und heute?

Wir wandern durch den Wald und gelangen zum Ort, wo das vordere Kurhotel stand. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hierher kommen. Wenn man auf der Waldlichtung steht, kann man kaum glauben, dass sich hier einst ein Grand Hotel befand, wo einst Pferdekutschen vorfuhren, Damen mit Sonnenschirmchen, am Arm der Herren, durch die Kastanienallee oder zum Teich spazierten. Kurgäste auf den sonnigen Berg stiegen oder in der Liegehalle lasen, sich erholten und dem Rauschen des Baches lauschten.

Was übrig geblieben ist vom Kurhotel? Ein Teil der Küche steht noch da, der Pavillon wurde wieder aufgebaut und die rostigen Turbinen sind noch zu sehen. Geht man den Weg entlang, sieht man wie kleine Bächlein über die Felswände herunterlaufen, ein Brunnen, an dem man sich am kalten, klaren Wasser erfrischen kann.

Pavillon

Die Wasserleitungen führen zum Platz, wo einst das hintere Kurhotel stand. Auch hier sind nur noch Mauerreste, einige Kacheln und Stuckabbrüche übrig. Längst hat die Natur von der Umgebung wieder Besitz ergriffen.

Mauerreste des hinteren Bades

Es wird immer wilder. Bizarre und vermooste Bäume starren einem entgegen. Ich wähne mich in einem Zauberwald, wo nächstens ein Waldtroll aus der Höhle oder um den Felsvorsprung hervorschaut. Baumstämme stauen an einigen Stellen das Wasser, die Sonne dringt nicht mehr bis auf den Grund durch und es wird immer kälter und die Hände werden klamm. Dann ist der Weg definitiv zu Ende. Will man zur eigentlichen Quelle muss ein anderer Weg vom oberen Tal eingeschlagen werden, der Unberechtigten versperrt bleibt.

Man kann aber auch über die Teufelsbrücke schreiten, den Waldweg emporsteigen, in ein anderes Tal hinüberwandern oder den Sonnenstrahlen entgegengehen, bis man auf eine Wiese ans Licht tritt, vor sich die weidenden Kühe mit ihren bimmelnden Glocken, die Berggipfel und die sanften Hügel mit den verstreuten Bauernhöfen.

Unten bei der Bahnstation steht das Brunnenhäuschen, wo jeder das gute Mineralwasser abfüllen kann. Eine Gruppe von Freiwilligen, die sich seit langem zu einem Verein zusammengeschlossen hat, hält den Weg und die Wasserleitungen in Stand. Was bleibt, ist Nostalgie und etwas Traurigkeit, über etwas, das unwiederbringlich verloren ist.

Quelle: Christoph Nil „Weissenburg – Burg und Bad“

12 Gedanken zu „Es war einmal ein Kurbad…

    • Ich danke dir. Ja, Wehmut kommt jedes Mal, wenn ich auf der Waldlichtung stehe, erneut auf. Ich finde es einfach schade, wenn so grossartige Häuser mit wunderschönen Parkettböden, Stuckdecken und schmiedeeisernen Geländern, die mit viel Liebe zum Detail hergestellt wurden, einfach verschwinden.

    • Danke dir, liebe Petra. Wenn ich so aus dem Fenster schaue und die Gebäude sehe, die da vor meinen Augen in den Himmel wachsen, muss man ja melancholisch werden. Ich sehe nämlich nichts, rein gar nichts an Architektur, die herausragend wäre. Alles sieht gleich langweilig und eintönig aus, da ist es um jedes Gebäude schade, das vor und kurz nach dem 20. Jahrhundert gebaut wurde, das auf irgendeine Weise verschwunden ist.

  1. Schon der Ursprung klingt märchenhaft. Wenn die ersten Thermalwasser-Süchtigen auf dem Weg zur Quelle zu Tode stürzen… Sie müssen es für einen Jungbrunnen gehalten haben, um solche Gefahren auf sich zu nehmen, oder? Das Wasser, das ewiges Leben verspricht… (Nun ja, manche Schönheitsoperation ist ja auch riskant und die Leute nehmen es trotzdem in Kauf. Vielleicht also doch eine Haltung, die ganz modern ist…)

    • Wenn man bedenkt, in welchem Jahrhundert die ersten Leute an diesen Ort gereist sind, ist das schon erstaunlich. Und die ersten Holztröge wurden noch viel weiter hinten in der Schlucht aufgestellt, da war der Weg doch kaum erschlossen und somit abenteuerlich gefährlich. Noch heute möchte ich nicht unbedingt vom Wanderweg abstürzen, der über die Teufelsbrücke hinauf zur nächsten Ortschaft führt. Wir gingen dort vorbei und kurz vor uns muss wohl ein Erdrutsch runtergekommen sein, denn die Erde war noch völlig nass und lehmig.

      • Den gibt es vielleicht bereits. Im Kanton Uri zum Gotthardpass hoch gibt es auch eine Teufelsbrücke und darüber gibt es bereits einiges an Literatur. Deshalb geht der Titel sicher nicht.

    • Ja, die Vergangenheit ist spürbar. Bei mir macht sich jedes Mal, wenn ich an diesen Ort komme, eine gewisse Traurigkeit breit. Es ist so schade, dass diese speziellen Orte, die einen grossen, geschichtlichen Stellenwert haben, ausgelöscht wurden.

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