Frohe Weihnacht

Weihnachtsabend

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war’s; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
,,Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
Erkannt‘ ich im Vorübergehen nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
Noch immer hört‘ ich, mühsam, wie es schien:
,,Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn‘ Unterlaß;
Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? – War’s Ungeschick, war es die Scham,
Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh‘ meine Hand zu meiner Börse kam,
Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
Als säß‘ mein eigen Kind auf jenem Stein
Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

Theodor Storm

Liebe BesucherInnen, ich wünsche euch allen besinnliche und friedliche und vor allem fröhliche Weihnachten und hoffe, all eure Bücherwünsche werden erfüllt!

6 Gedanken zu „Frohe Weihnacht

    • Liebe Mila

      Ruhige Zeit ist gut, schnell zwei Tage Feiertage und danach geht es bereits wieder ins Büro – Jahresabschluss lässt grüssen. Proust ruht, wie auch anderer Lesestoff, denn ich komme leider überhaupt nicht zum Lesen.

      Eine schöne Weihnacht dir und deiner Familie

      Liebe Grüsse
      buechermaniac

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