Bücherhimmel – Bücherhölle

„Lesen und Sammeln, zwischen Lust und Wahn“

„Bücher sind leidenschaftliche Verführer. Eine packende Lektüre, eine reich bestellte Bibliothek, exquisite Editionen lassen das Herz des Bibliophilen höher schlagen.

Im Lesen und Büchersammeln steckt aber auch der Keim zur regellosen Sucht. Für die eigene Bücherliebhaberei hat der Pariser Arzt Guy Patin 1654 den Begriff der „Bibliomanie“ geprägt, frei nach einer berühmten Sentenz des Erasmus von Rotterdam: „Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn“.

Dies sind die einleitenden Worte zur Ausstellung im Museum Strauhof, die ich noch kurz vor Ihrem Ende (die Ausstellung dauert nur noch bis 25.11.2012) besucht habe.

Für jeden der gerne liest, sind Bücher eine schöne Sache. Die einen lesen ein Buch und geben es wieder weg. Die anderen können sich nicht von ihren Lieblingen trennen und stellen sie ins Regal, um sie immer wieder zu betrachten, sie in die Hand zu nehmen und nachzuschlagen – vielleicht sogar, um sie wieder einmal zu lesen. Dann gibt es die Sammler, die hinter Erstausgaben herjagen, bibliophile Schätze suchen oder alles und jeden Schnipsel zu einem speziellen Genre oder einem Thema sammeln und bewahren. Wo es auch nicht mehr um die Lektüre geht, sondern nur noch um das Buch. Das Buch kann auch zum Kunstobjek werden. Es kann verrissen und zerrissen werden oder wird zur verbotenen oder unerwünschten Lektüre. Um all diese Themen und noch viel mehr, kreist die Ausstellung „Bücherhimmel – Bücherhölle“.

Ich trete in den ersten Raum, wo in diversen Filmen Kinder aus ihrem Lieblingsbuch vorlesen und über den Inhalt erzählen. Die Kinder müssen von Klein auf an die Lektüre herangeführt werden. Zuerst sind es die Bilderbücher, wo auch die Finger über die Bilder streichen und das Neue fasziniert. Später kommt das tolle Gefühl hinzu, wenn man die ersten Worte selber lesen kann und dann der Moment, wo man sich von der Umwelt verabschiedet und stundenlang zwischen den Buchdeckeln eintaucht.

Ein Diaprojektor projiziert Bilder von lesenden Menschen aus Fotografie und Malerei an die Wand.

Im ersten Stock trete ich in eine Ecke und ich wähne mich in einem Wohnzimmer der 1950er-Jahre. Über die Mattscheibe des Fernsehers im Holzgehäuse flimmert die Episode „Time enough at last“ der amerikanischen Serie „Twilight Zone“ von 1959.

Ich setze mich in den Sessel und schaue mir den Film an, wo ich dem Bankkassier Henry Bemis begegne, der selbst unter der Schaltertheke einen Blick in sein Charles Dickens-Buch wirft und dadurch einen falschen Betrag auszahlt. Er versucht überall in der Bank zu lesen, weil er zu Hause nie dazu kommt. Seine Frau nimmt ihm selbst die Zeitung weg – sie kann seine Freude am Lesen in keinster Weise nachvollziehen. Eines Tages, er liest gerade im Banktresor, wird die Welt durch eine Atombombe zerstört und unser Bankkassier ist der einzige Überlebende und findet in den Trümmern der öffentlichen Bibliothek haufenweise Bücher. Nun ist er im Bücherhimmel – die gesammelten Werke von Dickens, Shakespeare, Shelley usw. versorgen ihn über Jahre hinweg mit Lesestoff. Was für ein Glück – endlich hat er Zeit, Zeit und nochmals Zeit und keiner nimmt ihm die Bücher weg. Doch was dann passiert, schaut ihr euch am besten auf YouTube selber an. Bücherhimmel und -hölle liegen da sehr nahe beieinander.

Teil 1

Teil 2

Das Ende

Ich trete in den nächsten Raum und lande in einem Archiv. Neben Zeitungsausschnitten, diversen Lesezeichen, steht da auch ein Zettelkasten, in dem alphabetisch Karteikarten eingereiht sind, die alles beinhalten, was mit Buch oder Literatur zu tun hat. Schon nur um all die Karteikarten zu lesen, müsste ich mich stundenlang hier aufhalten, so spannend sind die Kärtchen.

In Schaukästen neben dem Buch der Bücher – der Bibel – sind auch die Thora auf Pergament aus dem Jahre 1491, der Koran oder Dante Alighieris „Die Göttliche Komödie“ ausgestellt. Werke von Herrschern liegen in einer anderen Vitrine daneben, so die „Mao-Bibel“  von Mao Tse-tungs oder „Mein Kampf“ von Adolf Hitler – Bücher der verschiedenen Religionen, auch die der Herrscher über eine Gesellschaft.

In einer weiteren Vitrine sehe ich das kleinste Buch der Welt, das 2,9 x 2,4 mm misst und in Leder gebunden ist, Asterix in Blindenschrift, das E-book und das Pop-up Buch.

„Die göttliche Komödie“ von Dante Alighieri, Ausgabe von 1491

Das Buch kann zum Objekt und vom Literaturkritiker verrissen werden und wie in der Zeitschrift „Der Spiegel“ durch Marcel Reich-Ranicki auch zerrissen, als er über Günter Grass‘ Roman „Ein weites Feld“ hart ins Gericht ging. Allerdings handelt es sich hier um eine Fotomontage.

Bücher können verbrannt werden, was wohl das Schreckliste für den Bücherliebhaber überhaupt ist oder auf einen Index für verbotene Bücher kommen oder auf eine Warnliste, wie in Amerika.

Ausschnitt aus der Warnliste „Parents against bad books in school
„Besorgte eltern kämpfen in den USA seit Jahren aktiv gegen ihrer Meinung nach schädliche, unmoralische Bücher in den Schulbibliotheken sowie im Schulunterricht. Ihre Warnlisten führen vor allem in den Provinzen immer wieder zu privaten Säuberungsaktionen.“ Text aus der Ausstellung

Als ich in die Bücherhölle trete, stehe ich in einem dunklen Raum, die Regale sind mit Einkaufstüten, Schachteln und überquellendem Papier und Büchern vollgestopft. Die Bücherliebe gerät aus den Fugen und wird zum Wahn.

Ich begegne Bücherfressenden Monstern in Kinderbüchern und nicht nur in diesem Raum, sondern auf dem ganzen Stockwerk ist das Heulen eines indianischen Schamanen aus dem Film „The black robe“ zu hören, in der die Szene des Jesuitenpaters gezeigt wird, der in seinem Buch liest. Dies ist dem Schamanen fremd und deshalb heult er wie ein Wolf und  verflucht den Pater:“Dämonen fürchten sich vor Lauten. Du bist ein Dämon!“

Schliesslich trete ich noch in den Raum ein, in dem ich in Filmen verschiedenen Sammlern begegne wie in einem Video ohne Worte, einem alten Antiquar aus Bern. Liebevoll reiht er seine Schätze in die Regale ein, nachdem er sie sorgfältig katalogisiert hat. Ein Lächeln zieht über mein Gesicht, als ich ihm zusehe, wie er diese alten und auch weniger alten Bücher behutsam in die Hände nimmt, als wären sie filigran und zerbrechlich.

Eine alte Dame sammelt ein besonderes Genre der Literatur, nämlich all jene Romane des Herz-Schmerzes, die immer ein Happy End haben, wie Arztromane oder all die Bücher von Hedwig Courts-Mahler und viele mehr.

Alberto Manguel wird in einem Film porträtiert, in dem er über seine Liebe zu den Büchern erzählt: “ In meiner Bibliothek fühle ich mich am meisten zu Hause. Die Küche gehört auch dazu, da fühle ich mich auch heimisch, denn ich koche auch gerne. In der Bibliothek fühle ich mich am besten aufgehoben, wie unter Freunden.“ Seine Bibliothek von 35’000 Büchern hat der Autor nicht katalogisiert. Er hat sie alle im Kopf. Sie sind nach der Sprache, in der sie geschrieben sind, eingereiht, und er weiss ganz genau, wo er was findet.

Und zu guter Letzt kann ich einen Selbsttest machen, welcher Typ Leser ich bin, in dem ich von einer Gruppe vorgeschlagener Bücher immer eines auswählen soll. Ich klicke also jene Titel an, die ich am ehesten lesen würde. So stand bei mir schlussendlich Folgendes:

„Sie sind eine prosaische Denkerin, die häufig liest, um sich mit andern auszutauschen.“

Was für ein schöner Abschluss für mich in dieser faszinierenden Ausstellung!

„Zürich liest“ 2012 – Teil I

Gestern startete das viertägige Literaturfestival „Zürich liest“ 2012. Heute war ich erstmals an zwei Veranstaltungen dabei. Ich habe mir extra frei genommen, denn das Lunchkino, wie es der Name schon sagt, beginnt kurz nach Mittag. Auf dem Programm stand der Film „Death of a Superhero“, nach dem gleichnamigen Roman von Anthony McCarten.

Bereits als ich mein Ticket abholte entdeckte ich schon einen Autor, nicht Anthony McCarten, aber Jan-Philipp Sendker, dessen neuer Roman „Herzenstimmen“ auf dem Markt ist.

Noch hatte ich Zeit und schlenderte in der Gegend herum, die Flaggen des Literaturfestivals flatterten noch etwas zaghaft, das Festival war noch nicht so richtig in Gang, aber das wird sich noch ändern.

Und dann ging ich zurück ins Kino, der Vorhang wurde geöffnet und bald sass Anthony McCarten und die Moderatorin Monika Schärer sieben Sitze neben mir und dachten wohl, dass ich nicht ganz gewickelt war, in der vordersten Reihe zu sitzen, wo man sich einen steifen Hals holt und prompt sprachen sie mich deswegen auch an. Den Platzanweiser fragte ich noch vor der Vorstellung, ob das Haus ausverkauft sei. Er schüttelte den Kopf, also zog ich einige Reihen nach hinten. Eine kurze Einführung, sehr sympathisch sprach der Autor einige Worte deutsch, bevor er wieder ins Englische wechselte. Das Drehbuch hat er natürlich selber geschrieben und musste dafür seinen Roman komplett demontieren. Denn was für den Roman richtig war, passte für den Film nicht mehr.

In „Death of a superhero“ geht es um einen krebskranken Jungen, dessen ganze Leidenschaft das Zeichnen von Cartoons ist und dies äusserst brilliant. Anthony McCarten hat einen sehr persönlichen Bezug zu Krebs, denn seine Eltern – Vater und Mutter – sind an Krebs gestorben und wurden zuvor mehrere Monate zu Hause gepflegt. Er sagte selbst, dass er beim Schreiben geweint habe, denn dabei dachte er unweigerlich auch an seine drei Söhne. Auf den Plot für „Superhero“ ist er durch einen Zeitungsartikel gestossen: ein Psychiater hat für seinen vierzehnjährigen Patienten eine Prostituierte gesucht. Der Psychiater spielt denn auch im Film eine wichtige Rolle.

Dann wurde der Film gezeigt. Ich konnte den Streifen völlig unbelastet anschauen, denn ich habe „Superhero“, wie der Roman schlicht auf Deutsch heisst, noch nicht gelesen. Es gab witzige Szenen, man darf nicht vergessen, dass Anthony McCarten ja auch der Verfasser des Drehbuches zu Full Monty war, das zuerst als Theaterstück „Ladies night“ Erfolg hatte. Bei jenem Film konnte man Tränen lachen.

Zurück zu diesem Film, bei dem Lachen und Tränen nah beieinander liegen. Ich konnte mir die Tränen auch nicht verkneifen, Krebstod geht einem nahe, erst recht, wenn der Kranke ein Teenager ist, der noch gar nicht richtig gelebt hat.

Nach der Filmvorführung gab der Autor ehrlich zu, dass ihn der Film auch zu Tränen gerührt habe.

Er stand nun noch Rede und Antwort zu seinem neuen Buch „Ganz normale Helden“, das gar nicht als Fortsetzung zu „Superhero“ gedacht war. Er hatte vor, einen Roman über einen Vater zu schreiben, der seinen Sohn im Internet sucht. Dazu brauchte er einen Vater, eine Mutter und einen Sohn. Da er etwas langsam im Denken sei, sei ihm erst nach einiger Zeit in den Sinn gekommen, dass er ja eigentlich diese Personen, nämlich die Eltern Delpe und den älteren Sohn Jeff, bereits hatte und diese seit dem Ende von „Superhero“ arbeitslos geworden seien.

Er erzählte, wie er sich mit Online-Games beschäftigte und sich in einem Spiel, das seine Söhne spielten,  übte, denn zuvor hatte er genau so wenig Ahnung von Internet-Games, wie sein Protagonist John Delpe.

Er las dann noch eine Passage eines Gesprächs zwischen dem Avatar AGI und Merchant of Menace und schon war es Zeit, den Kinosaal zu verlassen, denn bald stand die nächste Vorstellung auf dem Plan. Beim Verlassen des Saals sprach ich Anthony McCarten an und erzählte ihm, dass ich seinen neuen Roman bereits gelesen habe und nun gerne auch noch „Superhero“ lesen werde. Als er mein Arbeitsexemplar sah, fragte er mich, ob ich Buchhändlerin sei. Ich erklärte ihm, dass ich blogge. Der Mann nahm sich für seine Leser Zeit, gab jedem die Hand. Er signierte die Bücher freihändig, sprach mit jedem ein paar Worte und verabschiedete sich beim vorwiegend weiblichen Publikum (Männer waren nicht viele auszumachen) auch wieder mit Handschlag.

Als er dann noch einen speziellen Eintrag in mein Buch schrieb, erklärte er noch, dass ihm ein 17-jähriges Mädchen in München gesagt habe, dass er ein Schleimer sei. Die Umstehenden lachten herzlich. Und ob Schleimer oder nicht, habe ich mich über seinen Eintrag natürlich sehr gefreut. Und wenn Schleimer, dann ein sehr charmanter und witziger, der mir als sympathischer Autor in Erinnerung bleiben wird.

Die Literaturreise ging weiter. Die Schriftsteller fielen mir fast vor die Füsse. Ich fotografierte gerade einen Baum, der mit seinem gelben Laub aus dem tristen Grau herausstach, da kam mir der Schriftsteller von „Keller fehlt ein Wort“ und „Polarrot“, Patrick Tschan, mit der Tochter seines Verlegers, entgegen. Ich war mir im ersten Moment nicht sicher, hörte dann seinen Basler Dialekt und dann wusste ich, dass ich mich nicht geirrt hatte.

Nachdem ich mich gestärkt hatte, besuchte ich in der Buchhandlung Bodmer die Galerie „Zum Granatapfel“ im ersten Stock, wo Künstlerinnen des Internationalen Lyceumclubs Zürich ein giftgrünes Buch mit 120 Bildern unter dem Namen „Mille Feuilles“ zusammengetragen haben. Der Ursprungsgedanke war, „prägt das Buch die Gesellschaft oder prägt die Gesellschaft das Buch“. Am liebsten hätte ich das Meisterwerk gleich eingepackt.

Über den Abend werde ich morgen berichten. Es war ein langer und spannender Tag, der mich, wie letztes Jahr schon, müde aber begeistert und voller toller Erlebnisse ins Bett sinken lässt.

Sternzeichen

Als ich die Rezension zu Annette Pehnts „Chronik der Nähe“ aufschaltete, erhielt ich eine Mitteilung von Frank Koebsch. Er wies darauf hin, dass mit der Autorin, im Zusammenhang mit einer Kunstausstellung, eine Zusammenarbeit entstanden sei. Vier Künstler, nämlich Susanne Haun, Frank Koebsch, Kerstin Mempel und Petra Rau, haben das Thema Sternzeichen, auf ihre Art, in Aquarellen und Zeichnungen umgesetzt. Aus diesem Projekt ging schliesslich eine Ausstellung hervor und zusätzlich wurde ein Buch gestaltet. Annette Pehnt erklärte sich bereit, die Texte dazu zu liefern und so sind ganz eigenwillige kürzere oder längere Texte zu den Sternzeichen entstanden.

In „Tief durchatmen“ zum Sternzeichen Jungfrau heisst es:

„Noch Jungfrau. Immer Jungfrau geblieben. Sich aufgespart bis zuletzt, bis niemand mehr kam. Warten ist süss, niemanden heranlassen, aber locken schon, komm zu mir, komm mir näher, rühr mich nicht an.“

die Bilder im Uhrzeigersinn von links oben: Petra Rau, Kerstin Mempel, Susanne Haun, Frank Koebsch

… oder das Sternzeichen Wassermann. Die Umsetzung, hier von Frank Koebsch, gefällt mir ausgesprochen gut.

Dazu schrieb Annette Pehnt in „Nassliebe“: „Wenn wir uns lieben, legt er mir Seetang um die Brüste und eine Muschel auf den Nabel. Er umschlingt mich mit seinen kühlen Armen und ich sinke mit ihm auf den Grund ….“

Zur Zeit kann man die Bilder noch bis zum 10. August 2012 in der Sternwarte Schwerin sehen, danach wandert die Ausstellung nach Hamburg. Leider wohne ich nicht in der Nähe, sonst würde ich mir die Ausstellung sehr gerne anschauen, denn die Sternzeichen wurden von jedem einzelnen Künstler grossartig interpretiert.

Wer sich über weitere Termine zur Ausstellung und zu Lesungen informieren möchte, kann dies direkt auf dem Blog der Künstler tun.

Hermann Hesse, der Maler

Aus Anlass des 50. Todestages von Hermann Hesse ist im Kunstmuseum Bern, noch bis 12. August 2012, die Ausstellung „…Die Grenzen überfliegen, der Maler Hermann Hesse“ zu sehen. Das war ein Grund für mich, wieder einmal einen Ausflug in unsere Hauptstadt zu machen. Es war ein warmer Tag, ein Sommertag, mitten im Frühling. Da war es mir nur recht, für eine Weile der Hitze zu entfliehen. Das Kunstmuseum liegt mitten in der Stadt und ist vom Bahnhof nur ein Katzensprung entfernt.

Kunstmuesum Bern

Kunstmuseum Bern

Eine angenehme Ruhe lag über den Räumen. Auch hier fiel mir auf, dass hauptsächlich Frauen durch die Ausstellung flanierten. Ich war vom ersten Moment sehr angetan, was ich zu sehen bekam. Die Aquarelle von Hesse haben mir schon immer gefallen, vor allem jene, bei denen die Farben Rot, Gelb und Grün zum Einsatz kamen. Oft ist die Casa Rossa (das rote Haus), auch Haus Bodmer genannt,  auf den Bildern zu sehen. 1926 schrieb Hesse „ich bin kein guter Maler, ich bin ein Dilettant“. Meines Erachtens stellte er sich selbst unter den Scheffel.

„Aquarelle von August Macke sind für mich stets der Inbegriff der Aquarellmalerei gewesen […….]. Ich besitze die meisten Macke-Reproduktionen. Er ist für mich neben Moilliet der liebste Aquarellist.“ Hermann Hesse an Alex Vömel im März 1956

Einige Bilder erinnerten mich auch stark an Paul Klees Bilder während seiner Tunesienreise.

Seine Briefe hat er, ob handschriftlich oder mit der Schreibmaschine, auf selbst gemalten Briefbögen verfasst, wie er sagte auf Hermann-Briefbögen. Wie gerne hätte ich einen solchen Brief erhalten, sind es doch alles kleine Kunstwerke. Im Zeitalter von E-Mail und SMS wäre es eine Freude, ein so schön gestaltetes Dokument zu erhalten.

Hermann-Briefpapier (Feder und Aquarell)

In einem seiner Briefe heisst es

„Liebe Lene

Hab Dank für Dein liebes Geburtstagsbriefchen, das mich sehr gefreut hat! Die Mutter ist hoffentlich nicht eifersüchtig, dass ich dir auf einem Hermann-Briefpapier schreibe – aber sie hat ja viele und Du nicht!“

Was für eine äusserst gute Kombination mit dem Talent des Schriftstellers und Malers gesegnet zu sein. Hesse versuchte zwar immer wieder, mit der Malerei von der Literatur loszukommen.

Illustration aus „Piktors Verwandlungen“ Ein Liebesmärchen

Er schrieb Gedichte, die er mit Illustrationen zierte und legte sie in Gedichtmappen an, die er als Auftragsarbeit für Kunden erledigte, die diesen Wunsch an ihn herantrugen. Er versuchte immer, mindestens zwei Mappen vorrätig zu haben, falls jemand eine Mappe von ihm erwerben wollte. Mit dem Geld finanzierte er Hilfspakete an die Armen in der dritten Welt.

Seine Motive waren neben der Casa Rossa, die Landschaften des Tessins, auch Selbstporträts und Stilleben zählten zu seinem Schaffen. Das Tessin sah zu seiner Zeit, in den 1920er-Jahren noch ganz anders aus als heute. Wie viele alte und ehrwürdige Villen mussten irgendwelchen lieblosen architektonischen Bausünden weichen! Mit seinen Malutensilien durchstreifte er die Gegend und zog sich so von der wirklichen Welt in sich zurück. Er wusste selbst, dass dies ein grosses Glück war. Hesse lebte nicht nur im Tessin, in Montagnola, sondern u.a. in Bern (1912 – 1919). Zum Berner Wohnort findet auch „ein literarischer Spaziergang rund um seinen Wohnort Melchenbühl“ statt.

„Ulme in Bern und Gafners Haus“ Feder, Aquarell und Grafit

1926 – 27 hat Hesse während den Wintermonaten auch in Zürich gewohnt. Da wurde er zum ersten Mal in seinem Leben zu einem Maskenball mitgenommen. Er war begeistert. An einen Freund schrieb er später: „[…] Es ist eine unglaublich schöne Frau darunter, ihretwegen hat es sich gelohnt, dass ich schnell noch vor dem Altwerden den Foxtrott und den Boston gelernt habe […]“

Ich konnte nicht widerstehen und habe mir im Shop den Ausstellungs-Katalog und „Piktors Verwandlungen“ gekauft, in diesem Büchlein ist das Märchen mit Faksimile der Handschrift und seinen Illustrationen enthalten.

Die Ausstellung hat sich wirklich gelohnt. Danach trat ich mit einem Glücksgefühl wieder in das gleissende Licht auf die Strasse. Es empfing mich eine Temperatur von 29 Grad und das im Frühling!

Charles Dickens – eine Ausstellung

Was verbindet ein Leser mit dem Namen Charles Dickens? Oliver Twist und David Copperfield. Einige haben vielleicht auch „die Pickwickier“ gelesen oder die berühmte Weihnachtsgeschichte „A Christmas Carol“, wovon ich hier schon berichtet habe. Charles Dickens hat aber eine Menge mehr an Spuren hinterlassen und es ist beeindruckend, sich darauf einzulassen. Was viele vielleicht nicht wissen, dass er auch Krimis geschrieben hat. So war ich gespannt, was ich noch alles über den grossen englischen Schriftsteller in der Ausstellung im Museum Strauhof, in Zürich, erfahren und entdecken durfte.

Das Museum Strauhof, das jährlich vier Wechselausstellungen zu Literatur zeigt, hat den 200. Geburtstag von Charles Dickens zum Anlass einer Ausstellung wahrgenommen. Das Museum liegt, fast unscheinbar, direkt hinter der lebhaften und pulsierenden Bahnhofstrasse, spaziert man am Haus vorbei um die Ecke, steht der Flaneur auf einem der schönsten Plätze mitten in der Altstadt, links der Limmat. Der ganze Geräuschpegel rund um die Einkaufsstrassen weicht hier der Ruhe und des Friedens.

Aber wir wollen nun das Museum betreten und einen Rundgang durch die Räume machen:

Der kleine Charles hatte bis zu seinem zehnten Lebensjahr eine unbeschwerte Kindheit. Als die grosse Familie nach London zog, ging sein Vater allzu verschwenderisch mit dem Geld um und auch seine Mutter trug nicht gerade zur Sparsamkeit bei. So verschuldeten sich die Eltern und der Knabe wurde zur Arbeit  in einer Schuhwichse Fabrik, Warren’s Blacking, geschickt, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Wichse in Tontöpfe füllen, verschliessen und etikettieren, ein ungewohnter und strenger Alltag begann. Als die Eltern auch noch ins Gefängnis kamen, nahm er den weiten Weg unter die Füsse, um sie dort zu besuchen. Nach einer kleinen Erbschaft kamen die Eltern wieder frei. Charles Schulbildung wurde vernachlässigt und er nahm es vor allem seiner Mutter übel, dass seine Schwester gefördert wurde.

Die Zeit in der Fabrik war hart für den Jungen und hinterliess Spuren in seiner Seele, die danach unter anderem in seine Werke „Oliver Twist“ und „David Copperfield“ einflossen. Berühmt ist die Szene, als Oliver von den anderen Kindern auserkoren wird, mit seiner Schüssel vom Tisch aufzustehen und beim Koch einen Nachschlag verlangt: „Please, Sir, I want some more“.

Aus dem Film „Oliver Twist“ / Regie: David Lean (1948)

In der Ausstellung waren viele Ton- und Filmstationen. Nicht nur die Verfilmungen aus den 1940er- Jahren waren zu sehen, sondern auch solche aus dem Jahre 1999 oder 2005 für Kino und Fernsehen und Theaterinszenierungen der Royal Shakespeare Company. Namhafte britische Schauspieler sind in allen Filmen zu sehen, angefangen von W.C. Field, Alec Guiness, Maggie Smith, dem kleinen Daniel Radcliffe als David Copperfield (später bekannt in seiner Rolle als Harry Potter) oder dem grossartigen Ben Kingsley, der in der Rolle des Fagin aus „Oliver Twist“ nicht wiederzuerkennen ist und fantastisch spielt. Er trieb mir Tränen in die Augen. Überhaupt scheinen die Figuren aus den Romanen für die Schauspieler eine wahre Fundgrube zu sein und jeder einzelne wächst über sich hinaus, wenn er in eine der Rollen schlüpft. Ob alte oder neue Versionen, sie machen extrem Lust, wieder einmal eines der Stücke ganz anzuschauen.

Wenn ich mir die Stationen des Charles Dickens betrachte, würde ich behaupten, dass er ein Besessener war. Heute würde man ihn als Workaholic bezeichnen. Nicht nur, dass er praktisch täglich um die 20 Kilometer durch die Strassen Londons marschierte und in seinem fotografischen Gedächtnis alles minutiös abspeichern konnte was er sah, auch wieviel er zur damaligen Zeit geschrieben hat ist unglaublich. Er arbeitete als Gerichtsreporter, Herausgeber einer Zeitung, schrieb an seinen Romanen, die als Fortsetzungsromane in monatlich erscheinenden Heften veröffentlicht wurden und mit prächtigen Illustrationen versehen waren. Nur schon an seinen Freund John Forster verfasste er um die 1000 Briefe. Da war noch seine Familie mit zehn Kindern, für diese war hauptsächlich seine Frau zuständig, die mit dem Tempo ihres Mannes nicht mithalten konnte und ein häusliches Leben vorzog.

Illustration in einem seiner  Romane

Roman „Dombey and Son“ als Monatshefte

Charles Dickens liebte es, nah an seinen Lesern zu sein. Auch reiste er gerne und trat den Weg auf der „RMS Britannia“ über den grossen Teich an, wo ihm in New York ein frenetischer Empfang bereitet wurde. Das fand er  zuerst überwältigend, doch im Gegensatz zu England wurde er in den USA regelrecht belagert. Er hatte keine ruhige Minute mehr. USA geriet schlussendlich zur Enttäuschung für ihn und er kehrte nach Europa zurück.

Er war nicht nur Schriftsteller, sondern er stand auch gerne auf der Bühne als Schauspieler. Er hielt in seinen späten Jahren Vorträge und ging auf Tournee. Seine Auftritte bereitete er akribisch vor, sogar das Rednerpult entwarf er selbst.

Die Ehe mit seiner Frau Catherine, die eh schon zerrüttet war, zerbrach vollends, als er die erst achtzehnjährige Schauspielerin Ellen Ternan kennenlernte. Sein grösster Fehler war, als er das gut gehütete Geheimnis in der Welt verbreitete, von dem zuvor nur seine Bekannten wussten. Er brüskierte Freunde und wandte sich von ihnen ab. Selbst vom langjährigen Illustrator seiner Bücher, Phiz, trennte er sich.

Der Zufall wollte es, dass das Landhaus „Gad’s Hill Place“, in der Nähe von Rochester, zum Verkauf stand, von dem sein Vater in Charles Kindheit sagte, dass er eines Tages hier wohnen würde. Er zog endlich wieder aufs Land, mit dem er die besten Kindheitserinnerungen verband.

Dickens ging in den letzten Jahren nicht sehr haushälterisch mit seinen Kräften um. Unter anderem erlitt er einen Schlaganfall und seine Gicht wurde schlimmer. Am 9. Juni 1870 stirbt er an einer Hirnblutung.

Was von ihm bleibt sind seine Romane und Erzählungen, die noch heute weltweit Leser fesseln und in seinen Bann ziehen können.