„Jeden Tag jagte er uns hinaus, mich und Jarouš, wir sollten uns eine Wohnung suchen, und Dora solle einen Dienst suchen, er werde uns nicht mehr durchfüttern. Als Dora ihn um Geld für Schuhe schickte er sie zu mir – und glauben Sie mir, Dora und ich haben fast den ganzen Winter ein und dasselbe getragen, er aber hat sich für den Winter zwei Anzüge gekauft und im Frühjahr nochmals.“
Diese Worte stammen aus dem ersten von drei Brief-Entwürfen, datiert vom 21.11.1861, die in der schönen, fadengehefteten Broschüre „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“, aus dem Verlag Friedenauer Presse, zu lesen sind. Es sind die letzten Worte, die Božena Němcová an ihren Freund und Gönner Vojtěch Náprstek richtete, den die Zeilen jedoch nicht mehr erreichten. Božena Němcová (wahrscheinlich 1816 in Böhmen als uneheliches Kind von Herzogin Dorothea von Sagan und Fürst Karel Clam-Martinic geboren), war die berühmteste tschechische Schriftstellerin ihrer Zeit. Ihre Muttersprache war Deutsch. Sie lernte erst im Alter von 24 Jahren Tschechisch, als sie mit ihrem Mann Josef Němec, den sie 1837 geheiratet hatte, nach Prag zog und erstaunlicherweise schrieb sie ihre Werke in ihrer zweiten Sprache. Obwohl die Ehe schwierig war, denn sie wurde von ihren Eltern praktisch dazu gedrängt, gebar Božena Němcová ihrem Mann drei Söhne und eine Tochter. Sie blieb vor allem wegen der Kinder bei ihrem Ehemann. Bis 1855 hatte sie mindestens vier Liebschaften, die sie aber alle enttäuschten. Als ihr Sohn Hynek 1853 starb, begann sie ihr Hauptwerk, den Roman „Die Grossmutter“ zu schreiben, der 1855 erstmals veröffentlicht wurde.
Als Sie die verzweifelten Zeilen an Vojtěch Náprstek schrieb, war sie bereits sterbenskrank und in grosser finanzieller Not. Sie berichtete in den Briefen über die zerstörerische Ehe mit Josef Němec, der ihr das Schreiben nicht erleichterte, ja ihre mit Feder geschriebenen Papiere teilweise sogar zerriss. Sie schrieb ganz offen über ihre Krankheit und wie sie ihre Blutungen zu stoppen versuchte und über ihren Besuch bei der Familie von Josef Daněk, einem Freund der Familie Němec. Der Aufenthalt, obwohl schon einige Monate her, war ihr in guter Erinnerung geblieben. Die Briefe haben stellenweise Lücken, da die Schriftstellerin von unglaublichen Schmerzen geplagt wurde und ihre Schreitätigkeit immer wieder unterbrechen musste. Die Schriftstellerin starb zwei Monate später, am 21. Januar 1862, vermutlich an Krebs.
Božena Němcovás letzte Lebensjahre wurden mit Corinna Harfouch in der Hauptrolle, unter dem gleichnamigen Titel, 2005 verfilmt. Die Worte aus den Brief-Entwürfen werden im Film wiedergegeben.
„Ich muss schreiben; bin ich oftmals auch bedrückt von Sorgen und Verdruss, so vergesse ich alles, sobald ich mich zum Schreiben hinsetze, und lebe dann in einer anderen Welt.“
Das informative Nachwort hat Susanna Roth verfasst und in den Anmerkungen werden Personen und Daten aufgelistet.
Božena Němcová: „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern“
Friedenauer Presse
ISBN 3-932109-03-1