Am Samstag stieg ich (schon wieder) in die Katakomben des Antiquariats. Ich war auf der Suche nach Büchern von Hermann Hesse. Die Gesamtausgabe seines Werks hätte ich erstehen können, mit über 14’000 Seiten. Auch die Jubiläumsausgabe zum 100. Geburtstag des Autors, aus dem Suhrkamp-Verlag, war vorhanden. Ich habe mich für Erzählungen, eine Jubiläumsausgabe mit den Romanen „Gertrud“ und „Rosshalde“, ein Taschenbuch „Bäume“ Betrachtungen und Gedichte, und für „Der Lateinschüler“ und „Der Blütenzweig“ entschieden. Im „Lateinschüler“ lag eine Bleistiftzeichnung mit dem Selbstporträt Hesses, aus dem Jahre 1954 (nein, kein Original, ein Druck!).
Die Verfilmung der Erzählung „Die Heimkehr“ hatte ich mir letzte Woche, auf ARD, angesehen und wollte wissen, wie das nun mit der Nähe zur Erzählung aussieht. Es ist ja so eine Sache mit Literaturverfilmungen. Ich denke da bsp.weise an John Steinbecks „Jenseits von Eden“ mit James Dean in der Hauptrolle. Ich erkannte im Film das letzte Drittel des Romans wieder, der Rest blieb auf der Strecke. Als ich vor einigen Jahren „Herr Lehmann“ von Sven Regener gelesen hatte, habe ich viel gelacht, tat mir die Verfilmung dann gar nicht erst an, denn ich wollte mir die Phantasie, die ich beim Lesen entwickelt hatte, bewahren. Romane von Charles Dickens oder Jane Austen wurden x-mal verfilmt (ob gut oder schlecht weiss derjenige, der die Romane gelesen und die Filme gesehen hat). Diese Schriftsteller konnten sich auch gar nicht gegen eine Verfilmung ihrer Werke wehren, wie es Hermann Hesse, Zeit seines Lebens, getan hat. Durchaus verständlich, wenn man nun die Erzählung einmal mit dem Film vergleicht. Wer weiss, ob er nicht entsetzt wäre, weil Vieles neu hinzugefügt wurde.
Aus dem Heimkehrer August Schlotterbeck, in seine Geburtsstadt Gerbersau, wurde im Film August Staudenmeyer. Den Jugendfreund Mohrle, dem er schon bald im Gasthaus begegnet, existiert im Buch überhaupt nicht. Der verstorbene Ehemann der Witwe Entriss war in Tat und Wahrheit nicht Fabrikant, sondern Gerichtsvollzieher. Die Schwägerin der Witwe kommt ebenfalls nicht im Feuer um, sondern wird tatsächlich in eine Anstalt überführt. Über die Witwe wurde auch in der Erzählung Schlechtes nachgesagt, aber nicht, dass sie eine Hure sei, und die eifersüchtige Ehefrau des Bürgermeisters, der der Witwe nachstellt, kommt ebenfalls nicht vor. August Schlotterbeck wohnt in einem Häuschen neben der Witwe und hat freie Bahn, was das Werben um Frau Entriss betrifft, denn da ist kein „Mohrle“, der ebenfalls an der Frau interessiert wäre.
Hätte ich „Die Heimkehr“ gelesen, bevor ich mir den Film angeschaut hätte, wäre ich doch sehr erstaunt gewesen, was aus dieser Geschichte geworden ist. Der Regisseur Jo Baier hat mit vollen Händen aus seiner Phantasie geschöpft. Er hat dies sicher getan, damit der Fernsehfilm neunzig Minuten lang werden konnte und durch die neuen Personen und eine abgeänderte Handlung Spannung erzeugt wurde. Hätte sich Baier exakt an die Erzählung gehalten, viele Zuschauer hätten vielleicht weggezappt. Der Film vermittelt nicht dasselbe wie die Erzählung.
Ja, so ist das mit Verfilmungen von Romanen und Erzählungen, entweder man wird vom Film oder vom Buch enttäuscht. Deshalb mute ich mir in den meisten Fällen die Verfilmung einer Literaturvorlage nicht zu, wenn ich das Buch bereits gelesen habe, denn mein Kopf hat beim Lesen einen ganz anderen Film gedreht. In den meisten Fällen würde ich sicher enttäuscht. Einen guten Artikel zu einer erneuten Literaturverfilmung, „Am Hang“ von Markus Werner, hat vor einigen Tagen die NZZ gedruckt und ist auch online nachzulesen.
Wie seht ihr das? Schaut ihr euch Literaturverfilmungen an oder lest ihr, nachdem ihr eine Verfilmung gesehen habt, auch das Buch? Kennt jemand diese Erzählung ebenfalls und was ist eure Meinung dazu?