„Zürich liest“ 2012 – Teil I

Gestern startete das viertägige Literaturfestival „Zürich liest“ 2012. Heute war ich erstmals an zwei Veranstaltungen dabei. Ich habe mir extra frei genommen, denn das Lunchkino, wie es der Name schon sagt, beginnt kurz nach Mittag. Auf dem Programm stand der Film „Death of a Superhero“, nach dem gleichnamigen Roman von Anthony McCarten.

Bereits als ich mein Ticket abholte entdeckte ich schon einen Autor, nicht Anthony McCarten, aber Jan-Philipp Sendker, dessen neuer Roman „Herzenstimmen“ auf dem Markt ist.

Noch hatte ich Zeit und schlenderte in der Gegend herum, die Flaggen des Literaturfestivals flatterten noch etwas zaghaft, das Festival war noch nicht so richtig in Gang, aber das wird sich noch ändern.

Und dann ging ich zurück ins Kino, der Vorhang wurde geöffnet und bald sass Anthony McCarten und die Moderatorin Monika Schärer sieben Sitze neben mir und dachten wohl, dass ich nicht ganz gewickelt war, in der vordersten Reihe zu sitzen, wo man sich einen steifen Hals holt und prompt sprachen sie mich deswegen auch an. Den Platzanweiser fragte ich noch vor der Vorstellung, ob das Haus ausverkauft sei. Er schüttelte den Kopf, also zog ich einige Reihen nach hinten. Eine kurze Einführung, sehr sympathisch sprach der Autor einige Worte deutsch, bevor er wieder ins Englische wechselte. Das Drehbuch hat er natürlich selber geschrieben und musste dafür seinen Roman komplett demontieren. Denn was für den Roman richtig war, passte für den Film nicht mehr.

In „Death of a superhero“ geht es um einen krebskranken Jungen, dessen ganze Leidenschaft das Zeichnen von Cartoons ist und dies äusserst brilliant. Anthony McCarten hat einen sehr persönlichen Bezug zu Krebs, denn seine Eltern – Vater und Mutter – sind an Krebs gestorben und wurden zuvor mehrere Monate zu Hause gepflegt. Er sagte selbst, dass er beim Schreiben geweint habe, denn dabei dachte er unweigerlich auch an seine drei Söhne. Auf den Plot für „Superhero“ ist er durch einen Zeitungsartikel gestossen: ein Psychiater hat für seinen vierzehnjährigen Patienten eine Prostituierte gesucht. Der Psychiater spielt denn auch im Film eine wichtige Rolle.

Dann wurde der Film gezeigt. Ich konnte den Streifen völlig unbelastet anschauen, denn ich habe „Superhero“, wie der Roman schlicht auf Deutsch heisst, noch nicht gelesen. Es gab witzige Szenen, man darf nicht vergessen, dass Anthony McCarten ja auch der Verfasser des Drehbuches zu Full Monty war, das zuerst als Theaterstück „Ladies night“ Erfolg hatte. Bei jenem Film konnte man Tränen lachen.

Zurück zu diesem Film, bei dem Lachen und Tränen nah beieinander liegen. Ich konnte mir die Tränen auch nicht verkneifen, Krebstod geht einem nahe, erst recht, wenn der Kranke ein Teenager ist, der noch gar nicht richtig gelebt hat.

Nach der Filmvorführung gab der Autor ehrlich zu, dass ihn der Film auch zu Tränen gerührt habe.

Er stand nun noch Rede und Antwort zu seinem neuen Buch „Ganz normale Helden“, das gar nicht als Fortsetzung zu „Superhero“ gedacht war. Er hatte vor, einen Roman über einen Vater zu schreiben, der seinen Sohn im Internet sucht. Dazu brauchte er einen Vater, eine Mutter und einen Sohn. Da er etwas langsam im Denken sei, sei ihm erst nach einiger Zeit in den Sinn gekommen, dass er ja eigentlich diese Personen, nämlich die Eltern Delpe und den älteren Sohn Jeff, bereits hatte und diese seit dem Ende von „Superhero“ arbeitslos geworden seien.

Er erzählte, wie er sich mit Online-Games beschäftigte und sich in einem Spiel, das seine Söhne spielten,  übte, denn zuvor hatte er genau so wenig Ahnung von Internet-Games, wie sein Protagonist John Delpe.

Er las dann noch eine Passage eines Gesprächs zwischen dem Avatar AGI und Merchant of Menace und schon war es Zeit, den Kinosaal zu verlassen, denn bald stand die nächste Vorstellung auf dem Plan. Beim Verlassen des Saals sprach ich Anthony McCarten an und erzählte ihm, dass ich seinen neuen Roman bereits gelesen habe und nun gerne auch noch „Superhero“ lesen werde. Als er mein Arbeitsexemplar sah, fragte er mich, ob ich Buchhändlerin sei. Ich erklärte ihm, dass ich blogge. Der Mann nahm sich für seine Leser Zeit, gab jedem die Hand. Er signierte die Bücher freihändig, sprach mit jedem ein paar Worte und verabschiedete sich beim vorwiegend weiblichen Publikum (Männer waren nicht viele auszumachen) auch wieder mit Handschlag.

Als er dann noch einen speziellen Eintrag in mein Buch schrieb, erklärte er noch, dass ihm ein 17-jähriges Mädchen in München gesagt habe, dass er ein Schleimer sei. Die Umstehenden lachten herzlich. Und ob Schleimer oder nicht, habe ich mich über seinen Eintrag natürlich sehr gefreut. Und wenn Schleimer, dann ein sehr charmanter und witziger, der mir als sympathischer Autor in Erinnerung bleiben wird.

Die Literaturreise ging weiter. Die Schriftsteller fielen mir fast vor die Füsse. Ich fotografierte gerade einen Baum, der mit seinem gelben Laub aus dem tristen Grau herausstach, da kam mir der Schriftsteller von „Keller fehlt ein Wort“ und „Polarrot“, Patrick Tschan, mit der Tochter seines Verlegers, entgegen. Ich war mir im ersten Moment nicht sicher, hörte dann seinen Basler Dialekt und dann wusste ich, dass ich mich nicht geirrt hatte.

Nachdem ich mich gestärkt hatte, besuchte ich in der Buchhandlung Bodmer die Galerie „Zum Granatapfel“ im ersten Stock, wo Künstlerinnen des Internationalen Lyceumclubs Zürich ein giftgrünes Buch mit 120 Bildern unter dem Namen „Mille Feuilles“ zusammengetragen haben. Der Ursprungsgedanke war, „prägt das Buch die Gesellschaft oder prägt die Gesellschaft das Buch“. Am liebsten hätte ich das Meisterwerk gleich eingepackt.

Über den Abend werde ich morgen berichten. Es war ein langer und spannender Tag, der mich, wie letztes Jahr schon, müde aber begeistert und voller toller Erlebnisse ins Bett sinken lässt.