Georg Büchner Revolutionär mit Feder und Skalpell

Was haben Erich Kästner, Friedrich Dürrenmatt, Elfriede Jelinek, Paul Celan oder Felicitas Hoppe gemeinsam, ausser dass sie Schriftsteller waren oder sind? Sie alle haben schon einmal den Georg Büchner-Preis erhalten, den wichtigsten Literaturpreis in Deutschland und dem deutschsprachigen Raum. Er wird seit 1923 an Künstler vergeben, die aus der Heimat Büchners, aus Hessen, stammen, wenigstens bis 1950 war das so. Ab 1951 wurde der Preis in einen allgemeinen Literaturpreis umgewandelt und wird jährlich an Autoren vergeben, die sich mit ihrer Arbeit der deutschen Sprache besonders verpflichtet fühlen. Max Frisch war 1958 der erste ausländische Schriftsteller, der diesen Preis entgegennehmen durfte.

Georg Büchner (1833)

Georg Büchner (1833)

Georg Büchner wurde am 17. Oktober 1813 in Goddelau, dem Grossherzogtum Hessen, geboren. Als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Darmstadt, die zur damaligen Zeit 21’000 Einwohner hatte. 1/3 der Bevölkerung war in der Verwaltung tätig. Und für diese vielen Verwaltungsangestellten wurde eigens ein neues Stadtviertel gebaut, in dem auch die Familie Büchner, die immer grösser wurde, ein Haus in der Grafenstrasse 39 bezog.

Modell des Büchner-Hauses in Darmstadt

Modell des Büchner-Hauses in Darmstadt

Die wichtigsten kulturellen Einrichtungen in dieser Residenzstadt waren das Opernhaus, die Bibliothek und das Museum.

Darmstadt um 1818

Darmstadt um 1818

Georg war acht Jahre alt, als er zuerst die Privatschule des Theologen Carl Weitershausen besuchte. Mit elf Jahren wechselte er ins Gymnasium, dem „Pädagog“, wie es schlicht genannt wurde. Er lernte Latein, Griechisch und Französisch und mit vierzehn Jahre konnte er Shakespeare, der zu jener Zeit sehr populär war, auswendig. Noch lieber jedoch war im Goethes „Dr. Faust“. Ein Mitschüler sagte über ihn: „Er muss beim Lesen etwas zu denken haben.“ Mit 17 1/2 Jahren verlässt er das Gymnasium und im Zeugnis wird ihm unter anderem in Deutsch ein „vorzüglich“ und in Mathematik ein „mangelhaft“ bescheinigt.

Georg Büchners Vater war Mediziner, wie die meisten männlichen Familienangehörigen. So sollte auch der Sohn ein Medizinstudium absolvieren. Mit achtzehn Jahren ging Büchner nach Strassburg und belegte an der Universität Naturwissenschaften. Er bezog ein Zimmer beim evangelischen Pfarrer Johann Jakob Jaeglé und machte so die Bekanntschaft mit dessen Tochter Wilhelmine, kurz Minna genannt, mit der er sich 1832 heimlich verlobte.

Wilhelmine Jaeglé

Wilhelmine Jaeglé

Strassburg war zu jener Zeit, mit 50’000 Einwohnern bedeutend grösser als seine Heimatstadt Darmstadt, deren Umgebung er als „kolossal langweilig“ empfand. Während seines Aufenthaltes erlebte er den Empfang der geschlagenen Generäle aus dem Polenaufstand. Er begann sich für politische Freiheiten einzusetzen und Vorträge zu halten. Nach zwei Jahren, ein längerer Studienaufenthalt ausserhalb Hessens war nicht erlaubt, ging er 1833 an die Universität in Giessen, wo ihm weder die Mitstudenten noch die Lehrkräfte zusagten. Er konnte nun auch aus nächster Nähe sehen wie die Bevölkerung unter der Gewalt des Staates zu leiden hatte und gründete die Geheimorganisation „Gesellschaft für Menschenrechte“. Die Trennung von seiner Verlobten Wilhelmine machte ihm ebenfalls zu schaffen und er schrieb an sie:

„Hier ist kein Berg, wo die Aussicht frei ist. Hügel hinter Hügel und breite Thäler, eine hohe Mittelmässigkeit in Allem; ich kann mich nicht an diese Natur gewöhnen, und die Stadt ist abscheulich.“

Sein Engagement sich für mehr Gerechtigkeit, vor allem für die unterdrückte Landbevölkerung, einzusetzen, bewog ihn, im Hessischen Landboten, der 1834 herauskam, eine Flugschrift mit dem Titel „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ zu verfassen, die die arme Landbevölkerung zur Revolution gegen die Unterdrückung aufrufen sollte. Obwohl der Text von Friedrich Ludwig Weidig, einem Oppositionellen aus Hessen-Darmstadt abgeschwächt wurde, indem er etliche Passagen strich, kam die Schrift bei der Landbevölkerung gut an, da ihr vor Augen geführt wurde, wie sie mit ihren Steuerzahlungen den Hof finanzierte.

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Im September 1834 wurde schliesslich ein Kurier mit diesen Flugschriften verhaftet, die fleissig zwischen Darmstadt und Giessen verteilt wurden. Auch Büchners Zimmer wurde in dessen Abwesenheit durchsucht. Er wurde zwar ebenfalls verhört, aber nicht festgenommen, so dass er noch rechtzeitig vor seiner Verhaftung nach Strassburg fliehen konnte. In Hessen wurde er steckbrieflich gesucht.

Steckbrief

Steckbrief

In Strassburg verfasste er in wenigen Wochen das Stück „Dantons Tod“, das erst 67 Jahre später zur Uraufführung kam. Aus dem Französischen übersetzte er Victor Hugo und schrieb die Erzählung „Lenz“, die sich mit dem Schriftsteller Jakob Michael Reinhard Lenz befasste.

Manuskript "Dantons Tod"

Manuskript „Dantons Tod“

Zwischendurch wendete er sich wieder seinen Studien zu und erforschte das Nervensystem der Fische. Er sezierte eine Barbe und schrieb seine Dissertation „Abhandlung über das Nervensystem der Barbe“. Diese Arbeit legte er 1836 auch der Universität Zürich vor. Die Universität wurde 1831 gegründet und war die erste Uni Europas, die durch ein demokratisches Staatswesen gegründet wurde. Büchner wurde nach Zürich eingeladen, um eine erste Probe-Vorlesung zu halten. Der erste Rektor war so entzückt, dass er den jungen Mann noch vom Katheder herunter für eine Anstellung empfahl. Er schickte dann auch seinen eigenen Sohn in die Vorlesungen Büchners.

Aus Briefen an seine Eltern geht hervor, dass Georg Büchner von Zürich und den Dörfern begeistert war, die sauber und schön anzusehen waren, auch die Bürger beschrieb er als angenehm und weltoffen. Noch in Strassburg hatte er begonnen am Stück „Woyzeck“ zu arbeiten, das er unvollendet nach Zürich mitnahm. Es blieb Fragment, denn die Tinte, die er in Strassburg benutzt hatte, verblasste und es war nicht mehr alles lesbar. Trotzdem ist das Drama „Woyzeck“, das im Laufe der Jahre noch stark verändert wurde, das meist aufgeführte Theaterstück deutscher Literatur und wurde auch von Werner Herzog, mit Klaus Kinski in der Hauptrolle, verfilmt. Das Stück basiert auf mindestens zwei Mordfällen, einerseits erstach tatsächlich ein Johann Christian Woyzeck 1821 aus Eifersucht eine Frau in Leipzig und 1830 Johann Diess seine Geliebte in Darmstadt.

Johann Christian Woyzeck

Johann Christian Woyzeck

Uniform aus Werner Herzogs Film "Woyzeck"

Uniform aus Werner Herzogs Film „Woyzeck“

Am 20. Januar 1837 legte sich Büchner erkältet und mit Fieber ins Bett. Es handelte sich jedoch um Typhus. Seine Verlobte Wilhelmine Jaeglé wurde noch rechtzeitig benachrichtigt, so dass sie anwesend war, als Georg Büchner am 19. Februar 1837, gerade mal 23-jährig starb.

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Wohnhaus und Gedenktafel in Zürich

Totenbuch der Grossmünster Gemeinde

Totenbuch der Grossmünster Gemeinde

Das Literaturmuseum Strauhof in Zürich widmet seine zweite Ausstellung in diesem Jahr Georg Büchner unter dem Titel „Georg Büchner Revolutionär mit Feder und Skalpell“, die noch bis am 1. Juni 2014 besucht werden kann.

Ein Tag mit Büch(n)ern

Was macht einer an einem kalten Frühlingstag, wenn er nicht arbeiten muss und sich gerne mit Büchern umgibt? Genau, er befasst sich von morgens bis abends mit Büchern, schliesslich sind sie seine Leidenschaft!

Ich habe eine Woche Urlaub, könnte also ausschlafen, ausgiebig frühstücken und in den Tag hineinleben. Stattdessen wache ich bereits zum zweiten Mal auf – es ist erst halb sieben – für meine Begriffe viel zu früh für ein Frühstück. So hole ich das Buch hervor, das wir für den Lesezirkel ausgelesen haben, und verkrieche mich wieder ins warme Bett um einige Kapitel zu lesen.

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Irgendwann knurrt dann doch der Magen. Es gibt Frühstück, danach lese ich einige Literaturbeiträge im Internet, bevor ich mich mit dem Fahrrad auf zum Bahnhof mache. Es ist neblig und die Kälte dringt in alle Poren. Da mache ich doch mal einen Abstecher in die Buchhandlung Beer, an einem der schönsten Altstadt-Plätze von Zürich.

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Diese vielen interessanten Neuerscheinungen, wann soll man die bloss alle lesen? Da ich mich nicht entscheiden kann, greife ich zu einer alten Bekannten: S. Corinna Bille’s Romane werden im Rotpunktverlag seit einiger Zeit neu verlegt, der neueste Titel ist eben erst erschienen und ich greife zu:

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Dann spaziere ich über den Platz und bevor ich in die nächste Gasse einbiege springt mich ein Strassenschild förmlich an:

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Robert Walser lebte und arbeitete neun Jahre in Zürich und den Roman „Der Gehülfe“ habe ich ebenfalls gelesen. Sogleich stehe ich vor dem Restaurant „Reblaube“, wo 1778 – 1801 Johann C. Lavater, Pfarrer zu St. Peter und Philosoph, einst wohnte und kein geringerer als Goethe zu Besuch weilte.

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Gleich um die Ecke ist das Literaturmuseum „Strauhof“, das jährlich vier Ausstellungen ausrichtet und auch die James Joyce-Stiftung beherbergt. Ende Jahr soll das Haus geschlossen werden und einem Literaturlabor für Jugendliche Platz machen! Nicht nur viele Literaturfreunde sind empört, sondern auch Joyce Enkel, was man hier nachlesen kann. Zu diesem Museum also führen meine Schritte, denn bis Juni gibt es hier die Ausstellung „Georg Büchner: Revolutionär mit Feder und Skalpell“ zu sehen, die ich mir anschauen möchte. So bin ich mindestens für zwei, drei Stunden an der Wärme.

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Die Ausstellung ist interessant und sehr aufschlussreich (darüber werde ich ein andermal berichten) und danach trete ich ins Freie, wo sich inzwischen auch die Sonne zeigt. Kalt ist es immer noch. Ich lenke meine Schritte in Richtung Grossbuchhandlung, bleibe kurz stehen und schaue einem Fotografen bei seiner Arbeit zu, der Aufnahmen mit einem japanischen Model in Plateauschuhen und Shorts (!) macht. Da ziehe ich mir den Reissverschluss meiner Daunenjacke noch etwas mehr zu. In der Buchhandlung hole ich mir deren Büchermagazin, schaue mich noch etwas um, ohne schwach zu werden und weitere Bücher zu kaufen und begebe mich zur Tramhaltestelle.

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Wieder im Zug nach Hause, lese ich noch den Artikel über T.C. Boyle in einem Wander-Magazin fertig, das ich am Bahnhofs-Kiosk gekauft habe.

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Heute Abend habe ich noch eine Menge zu lesen. Und so geht ein überaus vielseitiger, mit Literatur und Büch(n)ern vollbepackter Tag zu Ende.