„Die Prinzessin auf der Erbse“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Das hässliche Entlein“, „Die Nachtigall“ sind nur einige Märchen des grossen dänischen Märchenerzählers, Hans Christian Andersen.
Wir sind in Dänemark unterwegs und fahren auf die Insel Fünen nach Odense, einer Stadt mit rund 170‘000 Einwohnern, mitten auf der Insel. Hier, im damaligen Armenviertel, wurde Hans Christian Andersen im Jahre 1805, als einziger Sohn eines armen Schuhmachers und einer Wäscherin geboren. Heute schlendert man durch die alten Gassen mit seinen bunten und herausgeputzten Fachwerkhäusern, so dass man sich kaum vorstellen kann, dass hier einst die Armut zu Hause war. Das Haus, in dem der Märchenerzähler geboren wurde, ist ins Hans-Christian Andersen-Museum mit einbezogen.
Hans Christian Andersen war erst elf Jahre alt, als sein Vater im Alter von 34 Jahren starb. Mit vierzehn Jahren verliess er das Elternhaus und ging nach Kopenhagen, wo er als Schauspieler zum Theater gehen wollte. Da ihm dies nicht gelang, versuchte er es als Sänger. Grossartig, dass er weder als Schauspieler, noch als Sänger reüssierte und die ersten Gedichte schrieb. Was hätten wir Leser in der ganzen Welt verpasst, gäbe es seine Märchen nicht!
Andersens Reisen
Andersen war zeit seines Lebens auf Reisen. Wenn man weiss, wie umständlich das Reisen und wie schwer das Gepäck damals war, ist es beachtlich, dass der Dichter 30 Reisen unternahm. Der Mann hatte dabei auch eine spezielle Marotte. In seinem Reisegepäck führte er ein neun Meter langes Seil mit sich, für den Fall, dass die Herberge brennen und er sich im Notfall abseilen könnte.
Er fuhr viele Male nach Dresden, wo er Freunde hatte. Während dem Zweiten Schleswig-Holsteinischen Krieg wurden seine Reisen für eine Weile unterbrochen. Er kam bis nach Italien und Spanien, selbst ins Osmanische Reich und eine Reise führte ihn nach England, wo er mehrere Wochen im Hause von Charles Dickens weilte. Im Gegensatz zu Andersen, der gerne mit Dickens in Kontakt geblieben wäre und vom britischen Autor sehr angetan war, stiess seine Begeisterung nicht auf Gegenliebe. Da Andersen nur leidlich Englisch sprach, schleppten sich die Gespräche dement-sprechend dahin und die Dickens fanden den dänischen Gast ziemlich anstrengend.
Der Scherenschnitt-Künstler
Andersen war nicht nur ein Meister im Erzählen, sondern auch ein Künstler im Umgang mit der Schere. Er fertigte Scherenschnitte an und bebilderte damit seine Geschichten. Für die Kinder einer Freundin, Jonna Stampe, fertigte er insgesamt drei Bilder-Bücher an und vervollständigte sie mit seinen Scherenschnitten.

Scherenschnitt (Mai 1864) den Andersen dem Basar für dänische Gefangene im Krieg gegen Deutschland, zugutekommen liess
Jonna Stampe schrieb an ihn:
“Danke lieber Andersen
Sie haben den Kindern eine große Freude mit den Dingen, die Sie für sie ausgeschnitten haben, gemacht … viele der kleinen Verse in den Kinder-Büchern, die Sie geschrieben haben, werden bereits von der kleinen Christine aufgesagt, die über „Arnsen“ spricht, als ob sie sich an Sie erinnern könnte.”
Andersen war sehr häufig bei Freunden zu Gast. Überall wo er hinkam, fiel er mit seiner grossen Statur (1 Meter 85) auf. Galt er auch nicht als schöner Mann, die Kinder mochten ihn, weil er ihnen immer Geschichten erzählte, sie mit ins Theater nahm oder seine Bücher mit Bildern bereicherte. Oft verteilte er Kopien seiner Geschichten, wenn diese gedruckt waren.
Hans Christian Andersen lebte ab seinem vierzehnten Lebensjahr, als er von zu Hause wegging, alleine. Er war nie verheiratet. Als er ein junger Mann war, hatte er die finanziellen Mittel nicht, um sich eine Frau zu nehmen. Als er genug Geld hatte, war er bereits ein älterer Mann und es war zu spät für ihn, eine Familie zu gründen. Sein einziges richtiges Domizil hatte er mit einem Zimmer in Kopenhagen. Dieses Zimmer ist im Museum mit all seinen persönlichen Gegenständen originalgetreu nachgebaut und eingerichtet.
In einem Raum des Museums reiht sich Regal an Regal. Märchenbücher in Übersetzungen aus aller Herren Länder stehen hier: von Afrikaans über Schweizerdeutsch, Russisch oder Urdu ist fast jede Sprache vertreten.

„Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (1845) Kalligraphie von Cheng Xu Xie
(links) / „Das hässliche Entlein“ in Urdu (rechts)
Der Besucher kann sich Märchen in einigen Sprachen anhören, eine Geschichts-Reise in Andersens Epoche machen, Bilder betrachten, die Künstler aus Andersens Märchen umgesetzt haben usw.
Und dann müssen wir uns beeilen, in wenigen Minuten schliesst das Museum. Mit vielen neuen Eindrücken verlassen wir das Gebäude und schlendern noch durch die Gassen mit Häusern aus dem 17. Jahrhundert. Einige Strassen weiter stehen wir vor dem Haus, in dem Hans Christian aufgewachsen ist und nur einen Steinwurf entfernt, um die nächste Ecke, stehen wir vor der Kirche des Heiligen Knud, wo Andersen konfirmiert wurde.
Noch schnell huschen wir hinein und staunen in die Höhe des Gotteshauses, bevor auch hier die Türen geschlossen werden.