Eine kurdische Hochzeit

… einmal im Leben auf dem Thron

 

Vor einigen Wochen lud mich eine Arbeitskollegin zu ihrem grossen Tag ein – ihrer Hochzeit. Ganz überrascht war ich und sagte freudig zu, denn der Anlass sollte auch für mich und meinen Liebsten speziell sein, handelte es sich doch um eine kurdische Hochzeit. Wir mussten dazu über die Grenze nach Deutschland fahren.Was würde uns also erwarten?

Wir traten in die Halle, in der die Tische schon fast alle voll besetzt waren. Freundlicher Empfang am Eingang durch die Eltern der Brautleute und vom Brautvater wurden wir an unseren Tisch geleitet, der direkt vor dem Podest stand, wo später das Brautpaar sitzen sollte.

Bald spielten auf der Tanzfläche drei Musiker mit Trommeln und Flöte auf und es bildete sich bald eine Kette von Frauen, die sich am kleinen Finger einhängten und langsam im Kreis kleine Tanzschritte verübten und um die Musiker herumglitt.

die traditionellen Musiker

Später traf die Band ein, die auf der Bühne zu elektronischer Musik aufspielte und sang. Der Herzteppich wurde ausgerollt, das Paar war also nicht mehr fern. Dann traten sie ein, der Bräutigam strahlte, ein Schleier verhüllte das ernste Gesicht der Braut. Die kurdischen Worte verstanden wir nicht, aber das spielte in diesem Augenblick keine Rolle. Der Bräutigam legte der Braut eine Kette mit einem goldenen Taler um den Hals. Der Schleier wurde gelüftet, der Hochzeitstanz begann. Nun zeigte sich ein dezent geschminktes Gesicht, noch war der Blick scheu dem Boden zugewandt. Dann begannen auch die Gäste um das Paar herumzutanzen.

Die Musik war ohrenbetäubend, ich befürchtete Kopfschmerzen und Ohrensausen, aber irgendwie war es trotzdem auszuhalten. Dann setzte sich das Paar an seinen Tisch. Die Verwandten und Freunde bildeten eine Schlange um dem Paar zu gratulieren und ihre Geschenke zu überreichen. Zum Essen blieb nicht viel Zeit, aber das ist auch eher Nebensache. Es geht um das Feiern und vor allem um das Tanzen. Jeder kann sich im Reigen irgendwo einklinken, es bilden sich zwei drei Ringe, Paillettentüchlein werden geschwenkt, die jungen Frauen balancieren auf ihren mörderisch hohen Absätzen. Beinahe alle Frauen haben langes Haar, und viele von ihnen sind kunstvoll frisiert. Die schwarzen Haare sind hochgesteckt, mit Zöpfen verflochten, ein Anlass um lange und glänzende Ballkleider zu tragen. Die jungen Männer tragen kurzgeschorenes Haar, die einen im Anzug mit Krawatte, andere schlicht in Hemd und Jeans.

die moderne Band

Die Kinder sind herausgeputzt und es macht Spass sie zu beobachten. Sie dürfen in den Pausen auf der Tanzfläche herumtoben, nehmen sich bei der Hand, werden vom grösseren getragen. Keines schrie, keines brüllte. Doch die weissen Kleidchen und die Anzüge werden eine Reinigung nötig haben, da lag schon einmal ein Mädchen platt auf dem Boden.

… das wird mir jetzt zuviel

Immer wieder folgt eine längere Tanzrunde. Bei der elektronischen Musik wird der Rhythmus manchmal temporeicher – auch das geht – die Tanzschritte werden dann ebenfalls schneller. Wir werden mehrmals aufgefordert, ebenfalls mitzutun. Die Menschen sind gastfreundlich und herzlich, fragen nach unserem Wohl und kümmern sich trotz der Masse um die „Fremden“. Gut achthundert Personen waren hier, eine teure Angelegenheit und dann kam der Moment, den unsereiner gar nicht versteht:

Das Brautpaar wurde zu einem Tisch vor die Bühne geholt, Männer und Frauen drängten sich daneben und dahinter und überreichten ihre kostbaren Geschenke. Die Braut wurde mit Goldschmuck behängt, Goldstücke an ein rotes Band gesteckt, Geldbündel wurden gezückt und die Überreicher wurden mit Erwähnung des Namens und des Betrages übers Mikrofon ausgerufen. Gerade glücklich schauten die Beiden nicht drein, aber es gehört dazu und nur so kann diese Megafeier überhaupt finanziert werden. Das Schweizer Paar an unserem Tisch war in letzter Zeit an einigen Hochzeitsfeiern und sinnieren darüber, ob sie eine kleine oder grosse Feier für sich wollen, doch in unserem Kulturkreis läuft das eh anders ab.

Zu später Stunde wurde die Hochzeitstorte hereingerollt und angeschnitten. Das Fest wird noch lange angedauert haben, doch wir verabschiedeten uns und kehrten in die nahe Schweiz zurück. Es war grossartig und eine Ehre für uns, einmal an einer kurdischen Hochzeit teilnehmen zu dürfen und wird uns unvergesslich und in sehr angenehmer Erinnerung bleiben.