Über Bücher kann man auch wunderbar vor der Sportstunde diskutieren. Das geschah immer mal wieder, wenn meine Freundin auf dem gleichen Zug war wie ich, und wir so noch genügend Zeit hatten, um über aktuelle Lektüre zu diskutieren. Als eine Gruppenteilnehmerin mitbekam, dass wir so Literaturangefressen waren, erwähnte sie, dass sie schon in einer Lesegruppe mitgemacht habe. Allerdings existierte diese Gruppe nicht mehr. So entstand die Idee, wir könnten doch selber einen Literaturtreff ins Leben rufen und verabredeten uns mit ihr und zwei weiteren Freundinnen. Wir wollten uns erst einmal kennenlernen, sozusagen beschnuppern, und besprachen bei einem gemeinsamen Essen wie wir uns das in etwa vorstellten.
Schon beim ersten Treffen wählten wir ein Buch aus, das wir dann bei einer der Teilnehmerinnen, in einigen Wochen, diskutieren wollten: Friedrich Glauser „Gourrama“.
Der Lesezirkel war geboren. Der Termin wurde auf Mitte der Woche festgelegt – eine schöne Wochenteilung. Es kamen im Laufe der Zeit nochmals zwei Mitglieder hinzu, dann noch eine Interessierte, wieder Abgänge, weil die Chemie nicht mehr gestimmt hat. Und gerade hat sich die Zahl wieder bei sieben Mitgliedern eingependelt.
Reihum finden die Treffen bei einem Mitglied zu Hause statt, es wird zuerst getratscht und kleine Köstlichkeiten werden gereicht. Ein Glas Wein darf nicht fehlen und, es ist kein Muss, ein einfaches Essen gibt es auch – im Winter eine leckere Suppe oder einen Eintopf, im Sommer Salate oder sonst etwas Leichtes. Die Literatur, die soll natürlich nicht zu kurz kommen; die Lektüre wird diskutiert, manchmal knüpft man Fäden zum richtigen Leben und schliesslich stellt der Gastgeber vier, fünf Romane vor. Es wird nach einem Punktesystem abgestimmt und der Titel, der am meisten Punkte erhalten hat, wird gelesen.
So sind im Laufe der Jahre etwa siebzig Titel von uns gelesen worden, von den einen auch noch gleich die anderen Vorschläge, weil der Inhalt interessant und spannend beschrieben wurde, die Neugierde geweckt war. Bücher werden rege ausgetauscht und so ist man schon über Autoren gestolpert, die schliesslich zu den Lieblingen geworden sind, wie bei mir die grossartige Irène Némirovsky, von der ich im Laufe der Jahre so viel gelesen habe. Jedes Mal führen wir auch Protokoll. Da kann jede nochmals alles in Ruhe nachlesen, was besprochen, vorgeschlagen, ausgewählt wurde. Zusatzin-formationen, Zeitungsberichte, Termine, auch mal ein Gedicht zum Abschluss, werden mitgeliefert.
Vor einigen Wochen hatte ich meine alten Terminkalender in den Händen und bin auf den Termin unseres ersten Treffens gestossen, dabei stellte ich fest, dass es just in diesem Monat zehn Jahre geworden sind – ein Jubiläum!
Das war Anlass für mich, um mir etwas einfallen zu lassen. Als ich wieder einmal ins Antiquariat im Ort ging, da stiess ich schon vor dem Laden auf zwei Romane, die erst letztes Jahr erschienen sind. Da dachte ich mir, ich schenke jedem ein gut erhaltenes antiquarisches Buch. Ich wurde sehr schnell fündig. Zusätzlich kreierte ich für jedes Buch ein Geschenkpapier, darauf sollte der Autor zu sehen sein, sein Land und ein Bild, passend zum Roman. Ich suchte nach Literatur-Zitaten und stellte noch für jeden ein Lesezeichen her.
Als mir eine Kollegin beim letzten Treffen gleich ein passendes Stichwort lieferte, war bald mein Moment für die Überraschung gekommen. Sie hatte „Sturmhöhe“ im Kino gesehen und wollte sich auch das Buch von Emily Brontë kaufen. Welch ein Zufall, genau das hatte ich als Geschenk mit dabei!
Bei einem literarischen Quiz, mussten die Teilnehmerinnen irgendetwas zum Buch erraten, sei es Heimatland des Autors, den Titel selbst oder den Namen des Schriftstellers. Alle hatten ihren Spass beim Raten und ihre Freude über das Geschenk war gross – meine Überraschung gelungen. So fanden Bücher von Stewart O’Nan „Emily, allein“, Paula McLaine „Madame Hemingway“, Zsuzsa Bánk „Heissester Sommer“, Tschingis Aitmatow „Eine Kindheit in Kirgisien“, Doris Knecht „Gruber geht“ und Emily Brontë „Sturmhöhe“ ein neues Zuhause.
Und ich, ich fuhr nach dem Lesezirkel mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause.