Frühlingsglaube

Winter_Frühling
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiss nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Ludwig Uhland (deutscher Dichter, 1787 – 1862)

Draussen liegt noch etwas Schnee. Ich habe mir bei einem Spaziergang vom Baumschnitt Zweige mitgenommen. Die Geduld hat sich gelohnt, denn die Zweige sind jetzt in voller Blüte 🙂

Das Tal

Wie willst du dich mir offenbaren,
Wie ungewohnt, geliebtes Tal?
Nur in den frühsten Jugendjahren
Erschienst du so mir manchesmal.
Die Sonne schon hinabgegangen,
Doch aus den Bächen klarer Schein!
Kein Lüftchen spielt mir um die Wangen,
Doch sanftes Rauschen in dem Hain!

Es duftet wieder alte Liebe,
Es grünet wieder alte Lust;
Ja selbst die alten Liedertriebe
Beleben diese kalte Brust.
Natur! wohl braucht es solcher Stunden,
So innig und so liebevoll,
Wenn dieses arme Herz gesunden,
Das welkende genesen soll.

Bedrängt mich einst die Welt noch bänger,
So such ich wieder dich, mein Tal!
Empfange dann den kranken Sänger
Mit solcher Milde noch einmal!
Und sink ich dann ermattet nieder,
So öffne leise deinen Grund
Und nimm mich auf und schließ ihn wieder
Und grüne fröhlich und gesund!

Johann Ludwig Uhland (deutscher Dichter 26.04.187 – 13.11.1862)