Ferdinand Hodler – seine letzten Jahre

Das schöne Frühlingswetter am Sonntag, nutzten wir für einen Ausflug nach Riehen bei Basel, um uns die Ausstellung Ferdinand Hodler in der Fondation Beyeler anzusehen. Schon der Weg durch den Park zum Museum macht Freude bei so prächtigem Wetter.

Fondation Beyeler

In einem Seitengang des Museums laden Sofas zum Verweilen ein, auf Beistelltischen liegen Kataloge zum Schmökern ein und grosse Fenster geben den Blick in die Natur frei, die jetzt üppig blüht.

Fondation Beyeler_1

Die Natur spielt in den Gemälden von Ferdinand Hodler eine grosse Rolle. Die Alpen, vor allem die des Berner Oberlandes und des Wallis und der Genfersee wurden von Hodler häufig gemalt. Es ist nicht verwunderlich, dass ich den Niesen und das Stockhorn, das wie ein unkorrigierter Zahn aus der Reihe zu tanzen scheint, immer auch mit dem bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts in Verbindung bringe, wenn ich bei einem Spaziergang diese Berge vor mir habe. Die Ausstellung in der Fondation Beyeler ist seinen Werken von 1913 bis zu seinem Tod, im Jahre 1918, gewidmet.

Stockhornkette mit Thuner See, um 1913

Stockhornkette mit Thuner See, um 1913

Ferdinand Hodler wurde am 14. März 1853 in Bern geboren. Sein Vater Johannes Hodler war Schreiner und starb, als Ferdinand sieben Jahre alt war, an Tuberkulose. Seine Mutter Margarete heiratete wieder und starb 1967 ebenfalls an Tuberkulose. Bereits zwei Jahre davor musste Ferdinand die Werkstatt seines Stiefvaters übernehmen, der Alkoholkrank war, und den Lebensunterhalt für die Familie verdienen. Er hatte sieben Geschwister. Ab 1868 begann er in Thun als Ansichtenmaler eine Lehre bei Ferdinand Sommer. Nachdem er eine kostbare Fahne ruiniert hatte, flüchtete er und ging nach Genf. Dort malte er Firmenschilder und kopierte Bilder im Musée Rath, wo er von Barthélemy Menn entdeckt und sein Schüler wurde.

1885 hatte der Maler seine erste Einzelausstellung in Genf. 1889 heiratete er. Die Ehe mit Bertha Stucki hielt nur zwei Jahre. 1908 lernte er Valentine Godé-Darel kennen, die nicht nur sein Modell war, sondern auch seine Geliebte wurde. Mit ihr hatte er eine Tochter, Paulette. Das Mädchen kam am 13. Okotber 1913 zur Welt, damals war Hodlers Freundin bereits krank und erhielt wenige Zeit später den Bescheid, dass sie Krebs habe. Der Tod war in Hodlers Leben ein ständiger Begleiter. Der Tod ist deshalb auch in seinen Gemälden immer wieder ein Thema.

Es mag vielleicht schockierend wirken, dass der Maler seine Geliebte im Kranken- und Sterbebett gezeichnet und gemalt hat. Diese Bilder gingen mir als Besucherin unter die Haut, denn sie sind sehr eindringlich und intim.

Bildnis der sterbenden Valentine Godé-Darel, 1915

Bildnis der sterbenden Valentine Godé-Darel, 1915

Nach dem Tod von Valentine Godé-Darel enstanden eine ganze Reihe von Selbstporträts. Allein 1916 entstanden acht gemalte und elf gezeichnete Selbstporträts, die bei Sammlern sehr begehrt waren. Der Tod seiner Geliebten, die gesundheitlichen Probleme seines einzigen Sohnes Hector und die eigene Lungenkrankheit machten dem berühmten Maler zu schaffen. Er setzte sich durch die Serie der Selbstporträts intensiv mit dem Älterwerden auseinander. Viele Gemälde der Alpen entstanden bei Kuraufenthalten seiner Familie. Als Hodler selbst krank wurde, malte er in seinen letzten Lebensmonaten den Genfersee und den Mont Blanc von seinem Zimmer aus.

Blick auf den Genfersee, 1915

Blick auf den Genfersee, 1915

In einem weiteren Saal ist eines der bekanntesten Werke von Hodler zu sehen „Blick in die Unendlichkeit“. Das Gemälde von der Grösse 4,46 m x 8,95 m nimmt eine ganze Wand ein und hinterlässt einen unglaublichen Eindruck. Die tanzenden Frauen in ihren blauen Kleidern wenden sich ab und blicken in Richtung Unendlichkeit. Die Unendlichkeit verband Hodler auch eng mit dem Gedanken des Todes. Tod durch Lungenkrankheit zog sich wie ein roter Faden durch das Leben seiner Familie.

Blick in die Unendlichkeit, 1916

Blick in die Unendlichkeit, 1916

Das Bild, das ursprünglich für das Treppenhaus des Kunsthauses Zürich bestimmt war, stellte sich als zu gross heraus, als es aufgehängt werden sollte und wurde von Hodler ein zweites Mal kleiner gemalt. Die Studien und das grosse Gemälde sind ein schöner Abschluss für die Ausstellung und fast schwebend tritt man aus dem Museum und kann im Park, mit den blühenden Sträuchern, die Eindrücke in aller Ruhe verarbeiten.

Wer die Ausstellung nicht besuchen kann, sich aber trotzdem dafür interessiert, dem empfehle ich den Rundgang durch die Ausstellung mit dem Kurator Ulf Küster

Ferdinand Hodler Ausstellung

Ausstellungskatalog
212 Seiten
Hatje Cantz Verlag
ISBN 978-3-906053-05-9

Chagall – der „Malerpoet“

ChagallJa, was denn nun – Maler oder Poet? „Malerpoet“ wurde Marc Chagall in Paris oft genannt, der mit russischem Name Moische Chazkelewitsch Schagalow hiess, und am 7. Juli 1887 in der Stadt Witebsk, das im heutigen Weissrussland, liegt, geboren wurde. Seine Bilder sprechen oft eine poetische Sprache und dann erhielt er diesen Namen nicht zuletzt, weil er sich eher zu den Literaten hingezogen fühlte, als zu den Malern. Er war der Älteste von insgesamt neun Geschwistern und entstammte einer jüdischen Familie aus armen Verhältnissen.

Marc Chagall ist zurzeit eine Ausstellung im Kunsthaus Zürich gewidmet, die ich kürzlich besucht habe. Die meisten Bilder stammen aus den ersten Jahren, die er als junger Künstler, in Paris verbracht hatte, nämlich von 1911-1914 und der Zeit, als er nochmals in Russland lebte (1914 – 1922). Er sprach damals noch kein Französisch, musste sich also eher an die russische Gemeinschaft oder an Russisch sprechende Bekannte halten. So lernte er damals auch den Dichter Blaise Cendrars kennen, der im selben Jahr wie Chagall geboren wurde. Cendrars, der mit bürgerlichem Namen Frédéric-Louis Sauser hiess, in La Chaux-de-Fonds, im Kanton Neuenburg geboren, sprach ziemlich gut Russisch, da er in jungen Jahren durch Russland gereist war. Er wurde einer der engsten Freunde Chagalls und lieferte auch etliche Titel zu dessen Bildern. Cendrars war es auch, der Chagall mit dem Schriftsteller Guillaume Apollinaire bekannt machte.

„Ich war erst zwanzig Jahre alt, da begann ich schon die Menschen zu fürchten. Doch dann kam der Dichter Rubiner, kam Cendrars und tröstete mich mit einem einzigen Aufblitzen seiner Augen.“

Marc Chagalls Bilder zeigen häufig Motive aus seiner Heimat. Er wäre wohl öfters nach Hause gefahren, hätte er das nötige Geld dazu gehabt und wäre seine Heimatstadt nicht so weit entfernt gewesen. 1914 wollte er nur kurze Zeit nach Witebsk zurückkehren, doch der Ausbruch des 1. Weltkrieges machte ihm einen Strich durch die Rechnung und so blieb er bis 1922 in Russland. Während des Krieges und der Russischen Revolution entstanden dann auch Zeichnungen mit Tusche und Feder, die sehr eindrücklich sind, über die kriegsgeplagte Bevölkerung.

Witebsk. Der Bahnhof (1914)

Seine erste Frau, Bella Rosenfeld, heiratete er 1915 und hatte mit ihr eine Tochter, Ida. Mit seiner Familie zog er nach St. Petersburg, später auch nach Moskau, wo er für das Staatliche Jüdische Kammertheater Bühnenbilder gestaltete und er entwarf auch den Zuschauerraum mit Wand- und Deckengemälden auf Leinwand, die in der Ausstellung zu sehen sind. Unter diesen grossformatigen Gemälden befindet sich auch eines mit dem Titel „Die Literatur“. Diese riesigen Bilder sind faszinierend und laden zum Verweilen ein, kein Wunder also, sind davor Sitzbänke aufgestellt.

Bereits 1915 begann er seine Autobiographie „Mein Leben“ zu schreiben. 1922 kehrte er Russland endgültig den Rücken zu und liess sich 1923 erneut in Paris nieder. Als jüdischstämmiger Maler floh er mit seiner Familie 1941, mit Hilfe von Varian Fry, über Spanien und Portugal, in die Vereinigten Staaten. 1944 starb seine geliebte Frau Bella an einer Virusinfektion. Mehrere Monate malte er kein einziges Bild mehr. Seine Beziehung zu Virginia Haggard McNeil, die ihm den einzigen Sohn, David, schenkte, dauerte nur acht Jahre, da der Altersunterschied von 28 Jahren schlussendlich doch zu gross war. 1948 verliess er die USA und kehrte nach Frankreich zurück.

Chagall illustrierte unter anderem die Bibel und reiste dazu eigens nach Palästina. Später entstanden für einige Kirchen Glasfenster, wie für die Kathedrale in Metz oder auch für das Fraumünster in Zürich, das ein grosser Tourismusmagnet ist.

Fraumünster, Zürich

Die Bilder, die er von der jüdischen Landbevölkerung aus seiner Heimat gemalt hat, haben mich speziell beeindruckt und schon fast magisch angezogen.

Chagall 003

Der Jude in Rot (1915)

Durch die Ausstellung schlendernd, musste man oft aufpassen, dass man nicht über die Kinder stolperte, die mit Farbstiftschachteln und Malbögen auf dem Boden kauerten und eifrig Chagall-Bilder ausmalten oder ergänzten. Dabei konnte ich beobachten, dass die richtigen Farben aus der Schachtel geklaubt wurden, um dem grossen Meister exakt nachzueifern. Für die kleinen Besucher gibt es für die Ausstellung extra einen kindergerechten Audioguide. Eine tolle Sache, dass heute bereits Kindern der Zugang zu Kunst vermittelt wird. Gerne hätte ich einige Fotos hier gezeigt, aber in Sonderausstellungen ist Fotografieren verboten.

Am „Poeten“ Chagall muss was Wahres dran sein, denn ich stiess beinahe mit einem Schriftsteller zusammen 😉 Der Schweizer Buchpreisträger 2011 schlenderte nämlich auch durch die Ausstellung.

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Übrigens, über den Mann, dem Chagall und viele weitere Künstler die Flucht aus Frankreich in die Staaten zu verdanken haben, ist gerade der neue Roman von Eveline Hasler erschienen „Mit dem letzten Schiff“ Der gefährliche Auftrag von Varian Fry.

Die Fotos der Gemälde stammen aus dem Katalog.

Katalog zur Ausstellung „Chagall, Meister der Moderne“
Simonetta Fraquelli
195 Seiten
ISBN 978-3-906574-82-0

Marc Chagall „Mein Leben“
Hatje Cantz Verlag
200 Seiten
ISBN 978-3-7757-0054-2

Hermann Hesse, der Maler

Aus Anlass des 50. Todestages von Hermann Hesse ist im Kunstmuseum Bern, noch bis 12. August 2012, die Ausstellung „…Die Grenzen überfliegen, der Maler Hermann Hesse“ zu sehen. Das war ein Grund für mich, wieder einmal einen Ausflug in unsere Hauptstadt zu machen. Es war ein warmer Tag, ein Sommertag, mitten im Frühling. Da war es mir nur recht, für eine Weile der Hitze zu entfliehen. Das Kunstmuseum liegt mitten in der Stadt und ist vom Bahnhof nur ein Katzensprung entfernt.

Kunstmuesum Bern

Kunstmuseum Bern

Eine angenehme Ruhe lag über den Räumen. Auch hier fiel mir auf, dass hauptsächlich Frauen durch die Ausstellung flanierten. Ich war vom ersten Moment sehr angetan, was ich zu sehen bekam. Die Aquarelle von Hesse haben mir schon immer gefallen, vor allem jene, bei denen die Farben Rot, Gelb und Grün zum Einsatz kamen. Oft ist die Casa Rossa (das rote Haus), auch Haus Bodmer genannt,  auf den Bildern zu sehen. 1926 schrieb Hesse „ich bin kein guter Maler, ich bin ein Dilettant“. Meines Erachtens stellte er sich selbst unter den Scheffel.

„Aquarelle von August Macke sind für mich stets der Inbegriff der Aquarellmalerei gewesen […….]. Ich besitze die meisten Macke-Reproduktionen. Er ist für mich neben Moilliet der liebste Aquarellist.“ Hermann Hesse an Alex Vömel im März 1956

Einige Bilder erinnerten mich auch stark an Paul Klees Bilder während seiner Tunesienreise.

Seine Briefe hat er, ob handschriftlich oder mit der Schreibmaschine, auf selbst gemalten Briefbögen verfasst, wie er sagte auf Hermann-Briefbögen. Wie gerne hätte ich einen solchen Brief erhalten, sind es doch alles kleine Kunstwerke. Im Zeitalter von E-Mail und SMS wäre es eine Freude, ein so schön gestaltetes Dokument zu erhalten.

Hermann-Briefpapier (Feder und Aquarell)

In einem seiner Briefe heisst es

„Liebe Lene

Hab Dank für Dein liebes Geburtstagsbriefchen, das mich sehr gefreut hat! Die Mutter ist hoffentlich nicht eifersüchtig, dass ich dir auf einem Hermann-Briefpapier schreibe – aber sie hat ja viele und Du nicht!“

Was für eine äusserst gute Kombination mit dem Talent des Schriftstellers und Malers gesegnet zu sein. Hesse versuchte zwar immer wieder, mit der Malerei von der Literatur loszukommen.

Illustration aus „Piktors Verwandlungen“ Ein Liebesmärchen

Er schrieb Gedichte, die er mit Illustrationen zierte und legte sie in Gedichtmappen an, die er als Auftragsarbeit für Kunden erledigte, die diesen Wunsch an ihn herantrugen. Er versuchte immer, mindestens zwei Mappen vorrätig zu haben, falls jemand eine Mappe von ihm erwerben wollte. Mit dem Geld finanzierte er Hilfspakete an die Armen in der dritten Welt.

Seine Motive waren neben der Casa Rossa, die Landschaften des Tessins, auch Selbstporträts und Stilleben zählten zu seinem Schaffen. Das Tessin sah zu seiner Zeit, in den 1920er-Jahren noch ganz anders aus als heute. Wie viele alte und ehrwürdige Villen mussten irgendwelchen lieblosen architektonischen Bausünden weichen! Mit seinen Malutensilien durchstreifte er die Gegend und zog sich so von der wirklichen Welt in sich zurück. Er wusste selbst, dass dies ein grosses Glück war. Hesse lebte nicht nur im Tessin, in Montagnola, sondern u.a. in Bern (1912 – 1919). Zum Berner Wohnort findet auch „ein literarischer Spaziergang rund um seinen Wohnort Melchenbühl“ statt.

„Ulme in Bern und Gafners Haus“ Feder, Aquarell und Grafit

1926 – 27 hat Hesse während den Wintermonaten auch in Zürich gewohnt. Da wurde er zum ersten Mal in seinem Leben zu einem Maskenball mitgenommen. Er war begeistert. An einen Freund schrieb er später: „[…] Es ist eine unglaublich schöne Frau darunter, ihretwegen hat es sich gelohnt, dass ich schnell noch vor dem Altwerden den Foxtrott und den Boston gelernt habe […]“

Ich konnte nicht widerstehen und habe mir im Shop den Ausstellungs-Katalog und „Piktors Verwandlungen“ gekauft, in diesem Büchlein ist das Märchen mit Faksimile der Handschrift und seinen Illustrationen enthalten.

Die Ausstellung hat sich wirklich gelohnt. Danach trat ich mit einem Glücksgefühl wieder in das gleissende Licht auf die Strasse. Es empfing mich eine Temperatur von 29 Grad und das im Frühling!