Da lese ich dieser Tage in der Zeitung, dass Sie an dieser fürchterlichen Krankheit leiden, die jede Familie ereilen kann – Demenz. Sie machte auch nicht vor Ihnen halt. Und deswegen dürfen wir auch keine neuen Werke mehr von Ihnen erwarten, was mich sehr traurig macht.
Ich bin sehr froh, dass Sie Ihr Jurastudium nicht beendet haben, um Anwalt zu werden. Unter Umständen wäre die Literaturwelt um einige Meisterwerke ärmer. Statt der Juristerei haben Sie sich für Poesie und Literatur interessiert und unter anderem haben Sie sich mit den Werken von Ernest Hemingway und William Faulkner beschäftigt. Das kann ich nur allzu gut nachvollziehen, denn die Bücher dieser zwei Autoren sind auch stark in meinem Bücherregal vertreten. Ich könnte eigentlich alle nebeneinander auf das gleiche Bord stellen. Wäre interessant zu hören, was der Farmer Anse (Faulkner) mit dem alten Mann (Hemingway) und dem Schiffbrüchigen (García Márquez) so zu bereden hätten. Mit Haifischen haben zwei von den Teilnehmern ja Erfahrung, mit Wasser sogar alle drei.
Ich kam als junge Frau erstmals mit einem ihrer Bücher in Berührung. Ich erinnere mich sehr gut, welches Werk ich als erstes von Ihnen gelesen habe: „Bericht eines Schiffbrüchigen“. Ein packendes Buch, das ich kaum aus den Händen legen konnte. Es zeugt von höchster Schreibkunst, wenn man einen Leser an die Lektüre fesseln kann, mit nur gerade einem Protagonisten, ein wahres Kammerspiel. Eindrücklich haben Sie nach der Rettung eines Matrosen, der tagelang auf einem Floss im Ozean trieb, dessen Erzählung zu Papier gebracht. Mit diesem Bericht hatten sie mich bereits in der Tasche.
Dann las ich „Hundert Jahre Einsamkeit“. Die Familiengeschichte der Buendias in Macondo wurde Weltliteratur. Dafür haben Sie zu Recht 1982 den Nobelpreis für Literatur erhalten. Auch für Politik haben Sie sich interessiert und sich auch rege engagiert. Sie wurden sogar ein guter Freund von Fidel Castro. Dass Sie als Journalist gearbeitet haben, kommt in der Reportage „Das Abenteuer des Miguel Littín“ zum Audruck. Denn zuerst haben Sie den Exilchilenen Miguel Littín eine Woche lang interviewt, bevor sie das Buch, über dessen heimliche Filmaufnahmen in seiner Heimat Chile während der Pinochet-Diktatur, geschrieben haben. Etliche Ihrer Romane dienten als Filmvorlage, so auch „Chronik eines angekündigten Todes“ mit Rupert Everett, Ornella Muti und Irena Papas. Allerdings hat mir die Verfilmung nicht ganz so gut gefallen wie das Buch. „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ fand ebenfalls einen Regisseur und wurde mit Javier Bardem in der Hauptrolle verfilmt. Und ich muss Ihnen etwas gestehen. Ausgerechnet diesen Roman habe ich nicht gelesen, obwohl es zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts gehört. Entschuldigung – ich werde das noch nachholen.
Da Sie auch viele Erzählungen geschrieben haben, liess ich mir von Jan Josef Liefers „Das Leichenbegräbnis der Grossen Mama“ als Hörbuch vortragen. Für mich sind und bleiben Sie der Erzähler ganz grosser Geschichten. Südamerika bietet sich ja förmlich an für spannende Momente und intensive Gefühle. Man kann förmlich ertrinken zwischen den Buchseiten Ihrer Werke. Ihre Freunde nennen Sie Gabo. Für mich sind Sie ebenfalls ein guter Freund geworden, denn viele Stunden in meinem Leben haben Sie mich mit Ihren Büchern verzaubert.
Wenn ich könnte wie ich wollte, würde ich Sie, zusammen mit Ihrem ägyptischen Schriftsteller-Kollegen Nagib Machfus, den ich ebenfalls sehr verehre, an meinen Tisch einladen, um mit Ihnen beiden über Gott und die Welt zu plaudern und um weiteren Erzählungen zu lauschen. Aber eben ….
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und ich danke Ihnen für all die schönen Lesemomente, die Sie mir und Millionen Lesern auf dieser Welt mit Ihren Werken beschert haben.
Ihre buechermaniac