Ein perfektes Literatur-Herbstwochenende

Der 1. November ist ein prächtiger Herbsttag, so dass ich das Auto stehen lasse, einen Rucksack mit Wasserflasche und natürlich mit einem Buch befülle, und mich in Richtung Thun aufmache. Ich überquere den Fusssteg über die Kander und freue mich am Lichtspiel im bunten Laub. Nach der Burg Strättligen habe ich einen herrlichen Blick zu den Bergen und über den See. Nach fast einer Stunde Wanderung beschliesse ich, den Rest des Weges mit dem Bus zurückzulegen.

Am Samstag ist Markt, das schöne Herbstwetter lockt die Leute scharenweise in die Gassen. Ich weiche dem Menschenstrom aus und husche in die erste Buchhandlung, obwohl ich Lesestoff dabeihabe.

Kennt ihr das, dass ein Buch euch anfleht „nimm mich bitte, bitte mit“?

Schon sind weitere drei Bücher in meinem Rucksack verstaut. Klingt beinahe nach dem alten Spiel „Ich packe in meinen Rucksack …“  Claudia Piñeiro ist schon drin, Peter Stamm folgt mit einem Erzählband und mit den Bamberger Vorlesungen und verstreuten Texten, ausserdem ein schmales Bändchen von Johan Bargum mit dem Titel „Septembernovelle“ aus dem Verlag mare. Die können sich nun eine Weile miteinander unterhalten 😉

Peter Stamm 002

Bei mir wird das Buch heute zur Novembernovelle. Dem Wasser entlang wandere ich Richtung Schadaupark und blicke zum Kleist-Inseli hinüber, zu dem die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat, da das Grundstück in Privatbesitz ist. Ich kann gut nachvollziehen, dass sich Kleist hier wohlgefühlt hat, mit diesem atemberaubenden Blick über das Wasser und die majestätischen Gipfel des Berner Oberlandes, allen voran mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Diese Gruppe fasziniert mich noch nach -zig Jahren mit ihrer Erscheinung.

Hier wohnte Kleist während seines Aufenthaltes in Thun

Hier wohnte Kleist während seines Aufenthaltes in Thun

Was passt so nah am Wasser besser dazu, als die „Septembernovelle“? Der Verlag mare ist spezialisiert auf Bücher, die immer in einer Form mit Wasser zu tun haben, so auch in dieser Novelle, wo sich zwei Männer zu einer Segeltour treffen, wobei der eine nicht mehr zurückkehrt. So setze ich mich in einen bequemen Sessel des Restaurants, den See vor mir und geniesse entspannt den prächtigen Herbsttag.

Thun

Gerne hätte ich dem Tag noch eins draufgesetzt mit einer Fahrt auf dem See, doch leider ist bereits der Winterfahrplan in Betrieb und somit hat das Kursschiff den Anker längst gelichtet und Kurs Richtung Interlaken genommen.

Am Sonntag wiederholt sich das schöne Wetter noch einmal. Ich packe Wolldecke und Proviant ein und setze mich an ein ruhiges Plätzchen auf einem Hügel. Mein Blick schweift immer mal wieder vom Buch über den See. Das Glockengebimmel der Kühe, frische Luft und die Glückseligkeit ein Buch zu lesen, das nenne ich ein perfektes Literatur-Herbstwochenende!

Herbstwochenende

Herbstwochenende_1

P.S. Während ich diese Zeilen schreibe, regnet es draussen in Strömen und der kalte November hat mich eingeholt. Deshalb zünde ich nun gleich ein paar Kerzen an und setze mich mit dem nächsten Buch und einer Tasse Tee in meinen Lieblings-Lesesessel.

Kultur in Thun

Am Samstag habe ich mich so ganz der Kultur gewidmet, zuerst wollte ich mir die kleinen Kunstwerke in der Stadtbibliothek von Thun ansehen. Kinder haben während den Sommerferien einen Kurs besucht und Buchskulpturen hergestellt. Sieht absolut toll aus. Was meint ihr dazu? (siehe Diashow)

Danach habe ich mich zum Schloss hoch begeben. Der Aufstieg führt von der schönen Altstadt über eine gedeckte Treppe, deren Dachkonstruktion ebenfalls an Kunst erinnert. Durch den Rittersaal geht’s ein Geschoss hinunter in die Sonderausstellung „Kleist in Thun“, im Zusammenhang mit dem 200. Todestag von Heinrich von Kleist.

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Die Ausstellung war sehr interessant und ich habe doch wieder Einiges, nicht nur über diesen deutschen Dichter, sondern auch über die Geschichte der Schweiz erfahren. Heinrich von Kleist weilte für einige Zeit, im Jahre 1802 und 1803, in Thun und lebte in einem Häuschen auf einer Insel, mitten in der Aare. Die Insel wurde im März, zu Ehren des Dichters, in „Kleist-Inseli“ umbenannt. Leider kann man diese ohne Genehmigung nicht besichtigen, da sich diese in Privatbesitz befindet. Ausserdem wurde das Haus, das baufällig war, bereits im Jahre 1940 abgeriessen. Aber die Sicht war, damals wie heute, grandios, sieht man doch all die imposanten Berge des Berner Oberlandes, wie Eiger, Mönch und Jungfrau, die „Pyramide“ den Niesen, und das Stockhorn. Kleist hatte damals die utopische Idee, Bauer in der Schweiz zu werden. Da die Zeiten damals jedoch sehr unruhig waren, die Franzosen vor dem Einmarsch nach Bern standen, entschied sich Kleist gegen den Bauernstand, zudem hasste er die Franzosen.

„Es hatte allen Anschein, daß die Schweiz sowie Zisalpinien, französisch werden wird, und mich ekelt vor dem bloßen Gedanken.“… aus dem Brief an Ulrike von Kleist vom 19. Februar 1802

Unten in der Altstadt wieder angekommen, konnte ich an den beiden Strassenmusikern nicht einfach vorbeigehen, denn die waren auch nicht schlecht und spielten unter anderem „Dueling Banjos“, das Musik-Stück aus „Deliverance“ mit Burt Reynolds aus dem Jahre 1972, Super 🙂


Es war ein rundum gelungener Kultur-Spaziergang und erst noch bei schönem Wetter, eine Seltenheit in diesem Sommer 🙂