
Da ist er also, mein Stapel Bücher zum Verschenken, ganze 90 cm hoch. Gewählt habe ich den Roman von Hans Fallada „Kleiner Mann – was nun?“. Ich nahm am letzten Freitag die Reise auf mich und fuhr nach Deutschland, genauer gesagt nach Lauchringen zur Buchhandlung buchschreiner. Es war für mich sehr reizvoll, nicht in die nächste Bibliothek oder Buchhandlung zu traben, sondern etwas weiter zu fahren, um die Buchsendung abzuholen. So konnte ich eine wunderschöne Frühlingsfahrt über die Grenze machen. Ich war etwas zu früh dran und musste bis um zwei Uhr warten, bis der Laden wieder öffnete. Nebenan setzte ich mich in ein sehr schönes Café, genehmigte mir auch noch ein lecker schmeckendes Stück Apfelkuchen, denn zu Mittag gegessen hatte ich noch nicht. Voller Freude nahm ich das grosse Paket entgegen und es ist schön, dass es mit der Teilnahme an dieser Aktion doch noch geklappt hat.

Im Café: Das wäre doch gerade der richtige Sessel, um zu lesen
Zurück nahm ich eine leicht andere Strecke und fuhr über Land an blühenden Obstbäumen und Rapsfeldern vorbei, durch Wälder, die am Wegrand mit Bärlauch gesäumt waren. Es war einfach nur schön fürs Auge.
Am Samstagmorgen ging ich zur Post und gab vier Buchpakete an Bekannte und Verwandte auf. Eine Sendung trat gleich wieder die Reise nach Deutschland an. Und die Postangestellte war so freundlich und suchte mir eine Adresse raus, die ich nicht dabei hatte. Als ich bezahlte, fragte ich die Angestellte, ob sie gerne lese. Die Antwort war etwas zögerlich, doch die Mutter lese gerne. Also überreichte ihr eines der Bücher zum weiterschenken.
Am Nachmittag nahm ich den Weg unter die Räder und fuhr auf den elterlichen Bauernhof meines Partners. Das ist wohl der höchste Ort, den ich für meine Aktion auswählen konnte, der Hof liegt nämlich auf 1000 Meter.

Hier weiss ich die Bücher in guten Händen
Hier wusste ich, dass es Leseratten gibt, und die nächste Bibliothek liegt hier auch nicht um die nächste Hausecke. Den beiden Bäuerinnen übergab ich deshalb sehr gerne je ein Exemplar des Romans und freudig wurden die Bücher angenommen. In der Küche kamen dann noch weitere zwei Leseverrückte hinzu und es ergab sich ein wunderbares Gespräch über Literatur und Fotografie. Als ich nach einigen Stunden wieder ins Tal fuhr, lag ein Lächeln auf meinem Gesicht, denn es fühlt sich grossartig an, Bücher zu verschenken.
Als ich heute Morgen ins Büro fuhr, hatte ich eine ganze Tragtasche voll mit Büchern. Ich hatte mir vorgenommen, nicht einfach wild um mich Bücher zu verteilen. Am Welttag des Buches sollen Leute zum Lesen angeregt werden. Jeder, der lesen kann, tut dies auch in irgendeiner Form, sei das beim SMS oder Zeitung lesen oder am PC, Anleitungen, Gebrauchsanweisungen usw. Das heisst aber noch lange nicht, dass die gleichen Leute auch Belletristik mögen. Schon am Samstag meinte ein Verwandter, Bücher könne man auch zum Anzünden brauchen. Der käme mir gerade recht. Bücher wurden einmal verbrannt, aber nicht hier und jetzt bei uns.
Die ersten drei Exemplare verschenkte ich in unserer Kaffeerunde an meine Kreuzworträtsel-Kollegen. In der Mittagspause begab ich mich auf die Strasse. Es ist gar nicht so einfach, wildfremde Menschen einfach anzuquatschen, das muss ich doch ehrlich gestehen. Als mir eine ältere Dame entgegenkam, musste ich sie zweimal anrufen, damit sie stehen blieb. Ich stellte ihr die Frage, ob sie gerne Bücher lese. Misstrauisch und etwas mürrisch blickte sie mich von oben bis unten an und meinte, dass sie am Bücher entsorgen sei. Ich hatte eher den Eindruck, dass sie glaubte, ich wolle ihr etwas aufdrängen. Ich liess die Frau ziehen.
Ich fuhr zwei Stationen mit dem Tram. Ich schaute mir die Leute genau an und kam zum Schluss, dass sie nicht die richtigen Ansprechpartner sind. Was soll ich jemandem ein Buch schenken, der keine Tasche dabei hat, oder der die Tasche schon prall gefüllt hat. Auf der Strasse kann ich einem Arbeiter auch kein Exemplar in die Hände drücken, die „Iphone“-Süchtigen gehören auch nicht zum richtigen Personenkreis und Leute, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ebenfalls nicht. Da kam mir die Idee, ins nahe gelegene Altersheim zu gehen. Ich klopfte beim Heimleiter an die Tür und sagte ihm, ich würde ihm gerne zwei Bücher zum Welttag des Buches schenken. Es gäbe doch sicher Menschen hier, die gerne ein Buch lesen würden. Das Geschenk nahm er dankend entgegen.
Danach marschierte ich durch die nächste Quartierstrasse. Vor einem Büro sass eine Frau, die eine Zigarettenpause machte. Wieder gab ich meinen Spruch von mir und die Dame meinte, sie lese sogar sehr gerne. Also drückte ich ihr eines der Bücher in die Hände und wünschte ihr viel Vergnügen bei der Lektüre. Die nächste Passantin wollte mir sogar etwas für das Buch geben. Ich erwiderte ihr, dass sie mir nichts geben könne, denn ich hätte die Bücher schliesslich auch geschenkt bekommen. Die Frau bedankte sich und meinte, dann hätte sie im Zug gleich etwas zu lesen. Im Park ging ich dann noch auf eine junge Frau zu, die im Gartenrestaurant am Lesen war. Ich bat sie, das Buch weiter zu schenken, wenn sie es nicht möge, aber auf gar keinen Fall wegzuwerfen. Sie erwiderte mir, dass sie das nie tun würde. Zufrieden zog ich also weiter.
Meine Tasche hatte sich geleert und im wahrsten Sinne des Wortes, zog ich erleichtert wieder Richtung Büro. Was auf jeden Fall auffällt, wie erstaunt die Leute sind, wenn man ihnen etwas schenken möchte. Sie drehen die Bücher von vorne nach hinten und wollen es kaum glauben, dass keine schlechte Absicht hinter der Aktion steckt. Dann besteht jeweils Aufklärungsbedarf. Die Bücher wurden für den „Welttag des Buches“ als Sonderexemplare gedruckt. Auf der Rückseite steht, worum es bei der Aktion „Lesefreunde schenken Lesefreude“ geht und auf der Innenseite sind alle Titel, die zum Schenken ausgewählt werden konnten, aufgelistet. Da gab es Krimis, leichte Unterhaltungslektüre, Gegenwartsliteratur oder Klassiker. Ob es eine gute Idee war „Kleiner Mann, was nun“ von Hans Fallada auszuwählen, weiss ich nicht, aber da erst letztes Jahr „Jeder stirbt für sich allein“ in einer Neuauflage herausgegeben wurde, dachte ich, ich könnte es mit einem weiteren Titel dieses deutschen Schriftstellers versuchen. Zudem wollte ich einen Titel, den ich noch nicht gelesen hatte und die Mitglieder unseres Lesezirkels wahrscheinlich auch noch nicht. Die werden beim nächsten Treffen auch noch beschenkt. Heute Abend werde ich noch ein Exemplar im Zug los, da bin ich mir sicher und in unserer Strasse lege ich noch eines in den Briefkasten eines Nachbarn, der auch immer auf dem Balkon am Lesen ist. Mein Partner hat auch zwei Bücher mitgenommen und bereits in der Spedition verteilt.
Bleiben noch vier, die werde ich auch noch los.
Mein Fazit: Es kostete mich etwas Überwindung, einfach so, auf mir fremde Menschen zuzugehen und sie anzusprechen, aber letztendlich hat mir das Verschenken Freude gemacht. Es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung!
Gefällt mir:
Like Wird geladen …